Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
ihrem einstigen Aussehen gelungen ist. Dafür brauchte sie Lambert nicht einmal zu töten. Sie musste ihn nur zombifizieren.
Was ihr offenbar nicht geglückt war. Wie sonst hätte er aus der Sippe aussteigen und einfach durch die offene Tür gehen können? Wieder ist Barbara Gordon an dem einzigen Menschen gescheitert, der ihr jemals etwas bedeutet hat. Deshalb musste er sterben.
Das alles ergibt durchaus Sinn, aber es bleiben noch einige Fragen offen: Wie hat sie sich mit einem Menschen verabreden können, der nicht nur aus ihrer seltsamen Welt, sondern auch aus der ganz normalen verschwunden ist? Wo hat sich der Pastor ein Jahr lang versteckt, und wie ist er unbemerkt nach Hergersberg und Eupen gekommen? Warum haben sich die beiden Frauen und Volker Maraite nach seinem Besuch das Leben genommen?
Alles sehr wichtige Fragen, doch mich treiben andere viel mehr um: Wo steckt Marcel, und was ist ihm zugestoßen? Falls ihn Barbara Gordon gefangen hält, wo könnte ich mit meiner Suche ansetzen? Die Frage, ob er überhaupt noch lebt, kann und mag ich mir nicht stellen. Für mich ist sie genauso unmöglich wie ein ewiges Leben auf Erden.
Ich halte wieder am ehemaligen Pfarrhaus an. Es schneit nicht mehr, und frische Reifenspuren sind nicht hinzugekommen. Inzwischen ist es fast zehn Uhr, doch die Frauen sind immer noch unterwegs.
Man kann in Atzerath nicht viel unternehmen, um sich die Zeit zu vertreiben. Aber ich könnte mir die Ruine von Babette Schröders einstigem Elternhaus mal näher ansehen.
Schwungvoll nehme ich die beiden Kurven auf der geräumten Straße und biege an der kleinen Verkehrsinsel mit dem kahlen Baum, dem grauen Kreuz und dem roten Briefkasten links ein. Ich komme an einigen Häusern vorbei, überquere eine kleine Brücke, und dann geht es so steil bergauf, dass ich mein Allradmonster noch vor dem Schild kein Winterdienst anhalten muss. Der Weg ist tief verschneit. Nach einem Rundblick kann ich die Ruine weiter oben, rechts am Hang, ausmachen, allerdings brauche ich für die Wanderung besseres Schuhwerk.
Ach, Marcel, denke ich, als ich meine Gummistiefel aus dem Kofferraum ziehe, wie gut, dass du mir zu so nützlichen Gegenständen im Auto geraten hast. Gummistiefel, Decke, Wasser, vorzugsweise allerdings Kaffee in einer Thermoskanne, und Notproviant, alles wird dir irgendwann gelegen kommen, hast du gesagt. Da hattest du recht. Was gäbe ich darum, dir jetzt einen Deckel Kaffee anbieten zu können!
Wo steckst du nur?
Bevor ich mich an die kleine Hügelbesteigung zur Ruine mache, stärke ich mich erst einmal. Ich schlürfe Kaffee, esse Impossible Pie und schaue nachdenklich vor mich hin. Irgendwann erreicht mein Gehirn, was mein Blick auf die verschneite Straße aufgenommen hat: Reifenspuren. Zwar ziemlich zugeschneit, aber durchaus noch erkennbar. Irgendjemand ist vor nicht sehr langer Zeit diesen abgelegenen Hügel hinaufgefahren. Mein Herz beginnt plötzlich, heftiger zu pochen.
Ich schraube die Thermoskanne schnell zu und ziehe mir rasch die Gummistiefel an. Nach kurzem Zögern greife ich zum Wagenheber. Sollte ich angegriffen werden, will ich ordentlich zuschlagen können. Auf die Kraft des kontaktlosen Hiebs werde ich mich jedenfalls nicht verlassen. So leise wie möglich stapfe ich den Reifenspuren nach. Sie führen tatsächlich auf das Grundstück der Ruine und gehen da weiter, wo das große Loch im Bruchstein früher mal durch ein Holztor verschlossen gewesen sein muss.
Ich atme schwer. Mit der Hand, die nicht den Wagenheber hält, fasse ich mir ans Herz. Der Aufstieg durch den tiefen Schnee war sehr anstrengend. Aber nicht mal halb so aufwühlend wie der Geistesblitz, der mich soeben getroffen hat: Marcel ist hier. Das spüre ich.
Ich renne nicht sofort los. Hole erst tief Luft, spitze die Ohren und sammele meine Gedanken. Wie kann es Barbara Gordon gelungen sein, Marcel zu überwältigen und zu entwaffnen? Der Mann trägt seit dem Anschlag auf Claire wieder die Pistole bei sich, die er von Gesetzes wegen im Dienst eigentlich nicht ablegen dürfte. Was aber bei Revierbeamten, wie er mir mal gesagt hat, inoffiziell toleriert werde. Nein, nein, er hat für Revierbeamte gesagt. Für. Für zu.
Ich wische mir die Tränen aus den Augen. Ungewohnte Bewegung kann eben sehr aufreibend sein. Wenn Marcel tatsächlich da drinnen gefangen gehalten wird, haben ihm weder seine Waffe noch das sechsmal jährliche Training im Schießstand geholfen.
Die Explosion, die dieses mächtige Haus
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