Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
hinauf, auf seinen Gipfel, aufs Äußerste treiben, dann hat man die rechten Lobesworte für diesen Kreuzgang. Denn er tut das selbst. Er treibt das Hübsche aufs Äußerste.«
»Da schwätzen Sie wohl, Marquis. Nicht unschön, aber auch nicht schön, sondern nur äußerst hübsch. Aber das äußerst Hübsche ist doch schließlich wohl schön.« »Nein, es bleibt ein Unterschied. Wie soll ich Ihnen den klarmachen? Ihre Mama zum Beispiel …« »Ist eine schöne Frau«, fiel Zouzou geschwinde ein, »und ich bin allenfalls hübsch, nicht wahr, an uns beiden wollen Sie mir Ihre schwätzerische Unterscheidung doch demonstrieren?«
»Sie greifen meinem Gedankengange vor«, erwiderte ich nach einem gemessenen Stillschweigen, »und entstellen ihn etwas dabei. Er verläuft zwar ähnlich, wie Sie andeuten, aber nicht ebenso. Es begeistert mich, Sie ›wir‹, ›wir beide‹ sagen zu hören von Ihrer Mutter und Ihnen. Aber nachdem ich die Verbindung genossen, trenne ich doch auch wieder und schreite zur Einzelbetrachtung. Dona Maria Pia ist vielleicht ein Beispiel dafür, daß die Schönheit, um sich zu erfüllen, aufs Hübsche und Liebliche nicht ganz verzichten kann. Wäre das Gesicht Ihrer Mama nicht so groß und düster und einschüchternd streng vor iberischem Rassestolz, sondern hätte es ein wenig von der Lieblichkeit des Ihren, so wäre sie eine vollkommen schöne Frau. Wie die Dinge liegen, ist sie nicht ganz, was sie sein sollte: eine Schönheit. Sie dagegen, Zouzou, sind das Hübsche und Reizende in Perfektion und auf seinem Gipfel. Sie sind wie dieser Kreuzgang …« »Oh, danke! Ich bin also ein Mädchen im König-Emanuel-Stil, ich bin eine kapriziöse Baulichkeit. Vielen, vielen Dank. Das nenne ich Courschneiderei.«
»Es steht Ihnen frei, meine innigen Worte ins Lächerliche zu ziehen, sie Courschneiderei zu nennen und sich selbst eine Baulichkeit. Aber es darf Sie doch nicht wundern, daß dieser Kreuzgang es mir so antut, daß ich Sie, die Sie’s mir ebenfalls angetan haben, mit ihm vergleiche. Ich sehe ihn ja zum ersten Mal. Sie haben ihn gewiß schon öfters gesehen?«
»Ein paarmal, ja.«
»Da sollten Sie sich freuen, daß Sie ihn einmal in der Gesellschaft eines Neulings sehen, dem er ganz neu ist. Denn das erlaubt einem, das Vertraute mit neuen Augen, den Augen eines Neulings, zu sehen, wie zum ersten Mal. Man sollte immer versuchen, alle Sachen, auch die gewöhnlichsten, die ganz selbstverständlich dazusein scheinen, mit neuen, erstaunten Augen, wie zum ersten Mal, zu sehen. Dadurch gewinnen sie ihre Erstaunlichkeit zurück, die im Selbstverständlichen eingeschlafen war, und die Welt bleibt frisch; sonst aber schläft alles ein, Leben, Freude und Staunen. Zum Beispiel die Liebe …« »Fi donc! Taisez-vous!«
»Aber warum denn? Sie haben ja auch über die Liebe gesprochen, wiederholentlich, nach Ihrem wahrscheinlich richtigen Prinzip, daß Schweigen nicht gesund ist. Aber Sie haben sich dermaßen harsch darüber vernehmen lassen, unter Anführung garstiger geistlicher Verschen obendrein, daß man sich wundern muß, wie es möglich ist, von der Liebe so lieblos zu sprechen. So gröblich haben Sie es an Rührung fehlen lassen über das Dasein dieser Sache, der Liebe, daß es auch schon wieder nicht mehr gesund ist und man sich verpflichtet fühlt, Sie zu korrigieren, Ihnen, wenn ich so sagen darf, den Kopf zurechtzusetzen. Wenn man die Liebe mit neuen Augen ansieht, gleichwie zum ersten Mal, was für eine rührende und ganz erstaunliche Sache ist sie dann! Sie ist ja nicht mehr und nicht weniger als ein Wunder! Ganz zuletzt, im großen-ganzen und in Bausch und Bogen ist alles Dasein ein Wunder, aber die Liebe, nach meinem Dafürhalten, ist das größte. Sie sagten neulich, die Natur habe den einen Menschen vom anderen sorgsam getrennt und abgesondert. Sehr zutreffend und nur zu richtig. So ist es von Natur und in der Regel. Aber in der Liebe macht die Natur eine Ausnahme – höchst wundersam, wenn man es mit neuen Augen betrachtet. Bemerken Sie wohl, es ist die Natur, die diese erstaunliche Ausnahme zuläßt oder vielmehr veranstaltet, und wenn Sie Partei nehmen in der Sache für die Natur und gegen die Liebe, so dankt Ihnen das die Natur im geringsten nicht, es ist ein Fauxpas von Ihnen, Sie nehmen aus Versehen Partei gegen die Natur. Ich werde das ausführen, ich habe mir vorgenommen, Ihnen den Kopf zurechtzusetzen. Es ist wahr: der Mensch lebt gesondert und abgetrennt vom anderen in seiner
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