Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Schwierigkeiten, die sich einer Lösung entgegenstellten, glaube ich eine solche, und wäre sie auch nur von vorläufiger Art, gefunden zu haben. Sogar eine Korrespondenz ins Ausland, genauer: nach Paris, habe ich in dieser Sache geführt, – sogleich werde ich sagen, wieso. Nach meiner Meinung kommt es vor allem darauf an, ihm das Leben zu öffnen, zu dem die Oberen ihm mißverständlicherweise keinen ehrenvollen Zugang gewähren zu dürfen glaubten. Haben wir ihn nur erst im Freien, so wird die Flut ihn schon tragen und ihn, wie ich zuversichtlich hoffe, zu schönen Küsten leiten. Da ist es denn nun die Hotel-, die Kellnerlaufbahn, die, wie mir scheint, in seinem Falle die günstigsten Aussichten bietet: und zwar in gerader Richtung sowohl (wo sie denn zu sehr stattlichen Lebensstellungen führen kann) wie auch rechts und links auf allerlei Abweichungen und unregelmäßigen Seitenpfaden, die sich schon manchem Sonntagskinde neben der gemeinen Heerstraße aufgetan haben. Den Briefwechsel, auf den ich hindeutete, unterhielt ich mit dem Direktor des Hotels ›Saint James and Albany‹ in Paris, Rue Saint Honoré, nicht weit von der Place Vendôme, (zentrale Lage also; ich zeige sie euch auf meinem Plan) – mit Isaak Stürzli, einem Duzbruder von mir aus meiner Pariser Zeit. Ich habe Felixens Kinderstube und Eigenschaften in das günstigste Licht gerückt, habe mich für seine Politur und Anstelligkeit verbürgt. Er besitzt einen Anflug von der französischen, der englischen Sprache; er wird gut tun, ihn in nächster Zeit nach Möglichkeiten zu verstärken. Jedenfalls ist Stürzli mir zu Gefallen bereit, ihn probeweise und zunächst freilich ohne Gehalt bei sich aufzunehmen. Felix wird freie Station und Kost genießen, und auch bei der Anschaffung des Diensthabits, das ihn gewiß vortrefflich kleiden wird, sind Vorteile vorgesehen. Kurz, hier ist ein Weg, hier sind Spielraum und Gunst der Umstände zur Entfaltung seiner Gaben, und ich rechne darauf, daß unser Kostümkopf den vornehmen Gästen des Saint James and Albany zur Zufriedenheit aufwarten wird.«
Es läßt sich denken, daß ich mich dem herrlichen Mann nicht weniger dankbar erwies als die Frauen. Ich lachte vor Freuden und umarmte ihn in vollem Entzücken. Schon entschwand mir die gehässige Enge der Heimat, schon tat sich die große Welt vor mir auf, und Paris, diese Stadt, deren bloßes Erinnerungsbild meinen armen Vater zeit seines Lebens vor Vergnügen schwach gemacht hatte, erstand in der heitersten Pracht vor meinem inneren Auge. Allein die Sache war so ganz einfach nicht, sondern hatte vielmehr ihre Bedenklichkeit oder, wie man volkstümlich sagt, ihren Haken; denn ich konnte und durfte das Weite nicht suchen, bevor mein Militärverhältnis geordnet war; die Reichsgrenze erschien, bis meine Papiere über dieses Verhältnis befriedigende Auskunft gäben, als unübersteigliche Schranke, und ein desto beunruhigenderes Antlitz zeigte die Frage, als ich, wie man weiß, die Vorrechte der gebildeten Klasse nicht errungen hatte und, zum Dienste tauglich befunden, als gemeiner Rekrut in die Kaserne einzurücken hatte. Dieser Um- und Anstand, den ich mir bis dato leichthin aus dem Sinn geschlagen hatte, fiel mir in einem so hoffnungsvoll gehobenen Augenblick schwer aufs Herz; und indem ich ihn zögernd zur Sprache brachte, zeigte es sich, daß weder meine Mutter und Schwester noch auch Schimmelpreester seiner achtgehabt hatten: jene aus frauenhafter Unwissenheit, dieser, weil auch er, als Künstler, staatlich-amtlichen Dingen nur geringe Aufmerksamkeit zu schenken gewohnt war. Auch bekannte er in diesem Fall seine völlige Ohnmacht; denn Beziehungen zu Stabsärzten, erklärte er ärgerlich, unterhalte er auf keine Weise, eine vertrauliche Beeinflussung der Machthaber sei also ausgeschlossen, und ich möge zusehen, wie den Kopf aus dieser Schlinge zu ziehen mir allenfalls gelingen werde.
So sah ich mich in einem so kitzligen Falle allein auf mich selbst gestellt, und der Leser wird sehen, ob ich seiner Herr wurde. Vorderhand wurde der jugendliche bewegliche Geist durch den Gedanken des Aufbruchs, den nahe bevorstehenden Ortswechsel und die Vorbereitungen dazu mannigfach zerstreut und abgelenkt; denn da meine Mutter schon zu Neujahr Aftermieter oder Pensionäre aufzunehmen hoffte, so sollte unsere Übersiedlung noch vor dem Christfeste statthaben, und zwar war Frankfurt am Main, der in einer so großen Stadt reichlicher sich bietenden
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