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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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und den kombinierte ich mit dem Outfit meiner Mutter. Wie nicht anders zu erwarten, war sie sehr erfreut über mein Werk. Wie gesagt, sie hatte Mut zur Mode. Sie trug meinen selbst kreierten Look zur Messe am Ostersonntag, und siehe da, all ihre Freunde in der Gemeinde überschütteten sie mit Komplimenten.
    Durch Imitation gelang es mir, meine Leidenschaft freizulegen. Und es war das ständige Verlangen, anderen zu gefallen, sie für mich zu gewinnen, zu umwerben, das mich antrieb.

...
    LIEBE IN ZEITEN DES KRIEGES
    ...
    Heute habe ich mein ärmelloses Top draußen im Hof getragen. Bei jüngeren Männern kam mein Outfit weniger gut an. Als sie sahen, dass ich meine Uniform verändert hatte, riefen sie sofort: »Hamar!« 31 »Kafir!« 32 Die wenigen, die Englisch sprachen, brüllten: »Hey, du Schwuli! Guck mal hier, du Schwuli.« Wie Tiere im Käfig, diese Männer. Einer rief ununterbrochen: »Wo sin dem seine Ärmel? Wo sin dem seine Ärmel?« Er stapfte durch den Gemeinschaftskäfig und kickte mit seinen weißen Turnschuhen Dreck in die Luft. »Wo sin dem seine Ärmel?« Der Aufruhr dauerte nur kurz, dann gelang es den Wächtern, die Männer durch Androhung nicht-verletzender Maßnahmen 33 zur Ruhe zu bringen. Aber für mich kam das zu spät. Die Gefangenen hatten alles Entscheidende ausspucken können. Ich zog in meinem Käfig Kreise. Die frische Luft und die Sonnenstrahlen lockten mich nicht mehr, ich wollte einfach nur zurück nach drinnen.
    Es ist nicht das erste Mal, dass ich als Homosexueller abgestempelt werde, oh nein. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, was diese Männer in mir sehen. Sie sind völlig verklemmt. Meine Gegenwart ist ein Angriff auf ihre Vorstellung von Männlichkeit. Ich würde ihnen gern sagen, dass in einer demokratischen Gesellschaft wie etwa in New York alle Menschen gleich sind, unabhängig von Abstammung, Glauben, Geschlecht, sexueller Orientierung usw. Selbst religiöse Fundamentalisten werden bis zu einem gewissen Grad toleriert. Zurück in meiner Zelle, blätterte ich im Koran und suchte eine Passage über all das – Menschen, Gleichheit, irgendetwas, das ich diesen Tieren entgegenhalten könnte, worüber ich sagen könnte: »Seht her, ihr Dummköpfe. Seht, was genau hier in eurem heiligen Buch steht!« Aber ich fand keine passende Stelle. Stattdessen stieß ich auf ein Kapitel, in dem es um Homosexuelle ging, aber es lieferte keine überzeugenden Argumente:
    Siehe, ihr begeht Schandbares, in dem euch niemand von aller Welt zuvorkam.
    Darauf kann ich nur erwidern: Ja. In der westlichen Gesellschaft darf man sich in Lüsten den Männern nahen anstatt den Weibern, stolz und kühn und mit wechselnden Partnern, denn niemand verbietet es einem. Man sollte diesen Männern einmal eine Lehre erteilen und sie in Manhattans Chelsea bringen. Würden sie dort jedem, der vorbeikommt, »He, du ärmelloser Schwuli!« zurufen? Ich wage, es zu bezweifeln. Und wenn, würden sie nicht ungeschoren davonkommen. Vielleicht käme ein großer, starker Bär wie Stephen vorbei (ein Stylist, den ich mal in Rhode Island kennengelernt hatte), würde seine Sporttasche abstellen und ihnen eins auf das lästerliche Maul geben.
    Um es ein für alle Mal klarzustellen, ich liebe Frauen! Damit es da keine Missverständnisse gibt. Mit Marianna DeSantos verfiel ich einer Leidenschaft, die mich mein Leben lang nicht mehr losließ. Ich hatte viele Freundinnen, auch noch kurz vor meiner Abreise nach Amerika. Rachel in Cubao, Marlene in Malate, Elisa in Pasay, Filomena in Makati. In siealle war ich rettungslos verliebt, aber einem Mann wie mir fällt es schwer, eine Beziehung aufrechtzuerhalten. In der Mode, wo man von so vielen schönen Frauen umgeben ist, kann man unmöglich verhindern, dass im Kopf der Geliebten die unvermeidlichen Eifersüchteleien entstehen. Und so kam es, dass ich mir bei meiner Ankunft in Amerika fest vornahm, das Herz nicht mehr auf der Zunge zu tragen, nie mehr auf die Liebe zu schwören und offen ihren Namen zu schänden. Ich wollte keine Neuauflage des Schmerzes, den mir meine Ex-Freundinnen zugefügt hatten oder ich ihnen. Ich hatte mir an der Liebe die Finger verbrannt und würde es nur wieder tun; Amerika war meine Chance für einen Neubeginn. Ich wollte mich ganz meinem Handwerk widmen, ohne dass mir die Liebe dabei in die Quere käme. Sicher würde ich irgendeine Art sexueller Befriedigung brauchen – ich war schließlich kein Mönch –, aber das würde jetzt anders ablaufen. Ich

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