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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Gilvarry
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Mercers Rucksack. Seine Initialen wurden immer kleiner.
    Alles, was ich in jenem Herbst in meinem Studio tat, tatich in der Absicht, Michelle zu beeindrucken. Ich zeichnete sie aus dem Gedächtnis, in Kleidern, die ich noch nicht vollendet hatte. Sie war mir Muse und Fluch zugleich. Ich war produktiv, aber ich arbeitete nicht für mich selbst. Doch letztlich lief es auf dasselbe hinaus. Ich entwerfe Kleider für Frauen, was machte es da schon, wenn ich Kleider für eine bestimmte Frau entwarf.
    Eine Woche nach unserem Zufallstreffen in der 4 hatten wir in einem polnischen Lokal im East Village unser erstes Date. Es war ein altmodischer Laden, eng und mit reichlich Linoleum-Charme. Wir saßen am Tresen und bestellten von einer Tafel mit Tagesangeboten. Michelle machte mich mit Borschtsch und Challa bekannt. Wir teilten uns ein getoastetes Käsesandwich, zwei Scheiben von dem majestätischen jüdischen Brotlaib, der mich an die Pandesal -Brötchen von zu Hause erinnerte. Sie tat einen Teelöffel saure Sahne in meinen Borschtsch und rührte um, bis er ein milchiges Fuchsia annahm, wie eine große Schale von diesem Mittel gegen Reisedurchfall, aber immer noch ziemlich appetitlich. Das sei ihre Lieblingsfarbe, sagte sie.
    »Deine Lieblingsfarbe ist Borschtsch?«, neckte ich sie. Sie lachte und knuffte mich in die Seite. Michelle war wirklich kräftig und hatte große Hände, und ihre schlanken Finger mit den sanften Fingerspitzen waren voller antiker Ringe. Diese Hände sollten mein ganzes Wesen ergreifen und festhalten. Ich fühlte mich sicher, wenn mich eine von ihnen berührte, so wie dort am Tresen, während wir unseren Borschtsch schlürften. Ich legte meine Hand auf ihre, und wir verflochten unsere Finger. Was für eine Wärme! Jene erste Übertretung: Meine Hand berührte ihre, ihre Hand berührte meine, ihre Hand auf meinem Bein, meine auf ihrem. Wenn zwei Verliebte sich zum ersten Mal absichtlich berühren, bleibt das viel eher im Gedächtnis als der erste Kuss oderdas erste Mal, zumindest bei mir. Es ist dieser seltene Blitz, der einen durchfährt und sich niemals wiederholen lässt. Als das Käsesandwich kam, mussten wir uns loslassen, dabei brauchten wir diese Berührung wie zwei Süchtige. Also setzten wir uns einander gegenüber, um das Sandwich zu essen, und verhakten unter dem Tresen die Beine miteinander. Sie hielt mein Knie mit den Schenkeln so fest, dass ich ihre innere Wärme spürte. Es war unser erstes Date, aber im Spiegel hinter der Bar sahen wir bereits wie ein unzertrennliches Pärchen aus. Als ich um die Rechnung bat, legte sie mir die Hand auf den Rücken, wo mein Hemd aufhörte, und wir warteten.
    Auf der Division Street in Chinatown tranken wir zusammen einen Schaumtee und aßen süßen Reis aus einem Bananenblatt. Ich gestand ihr, dass ich die Nacht nicht ohne sie verbringen wollte, und fragte sie, ob sie nicht mit zu mir nach Bushwick kommen wolle. Es war ein Sonntag, und um am nächsten Morgen zur Uni zu kommen, würde sie an der Grand Central Station den Zug nach Bronxville nehmen müssen. Wir hatten uns noch nicht mal geküsst.
    »Ja klar«, sagte sie, ohne zu zögern. »Ich hatte gar nicht daran gedacht, nach Hause zu fahren.« Und dann gab sie mir einen Kuss, halb auf den Mund und halb auf die Wange, aber ganz wunderbar. Ich küsste sie zurück. Ein leichter Wind kam auf und legte sich wieder, und ich spürte die Feuchtigkeit verdunsten, die sie auf meinem Gesicht hinterlassen hatte. Von da an war ich ein gezeichneter Mann.
    Michelle kam mit mir nach Hause und wir liebten uns, aber mit den Einzelheiten verschone ich Sie. Nur so viel:
    Nackt entblößen wir voreinander unsere Seelen. Ohne uns gegenseitig irgendetwas vorzumachen. Es ist das Gegenteil von Mode. Immer, wenn ich bei einem meiner Kleider Haut zeige – ein freies Dekolleté über dem Herzen oder den Spalteines entblößten Rückens –, habe ich das Gefühl, einen kurzen Blick auf die Wahrheit zu gewähren. Michelles nackter Körper glich einem Wahrheitsserum. Ich schmolz dahin bei ihrem Anblick: die nackten Schultern, leicht sommersprossig von einem Urlaub auf Nantucket, ihre Brüste, zwei Handvoll weißes Fleisch in bester Reife, umrahmt von Bikinistreifen. Ich ging auf die Knie und sog den Duft direkt unterhalb ihres Bauchnabels ein, bis sich der helle Flaum auf ihrem Bauch aufrichtete. Amerikanerinnen sind so wunderbar behaart. Oh, wie ich angesichts all dessen da unten zerfiel! Der unverwechselbare Duft junger

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