Bel Ami
ließ, dass der Rocker noch nicht allzu oft in eine solche Situation geraten war.
»Schwerhörig?«
Lederjacke rutschte vom Barhocker und flüsterte einem seiner Schläger etwas ins Ohr. Kurzer Blickkontakt, dann erhob sich die ganze Truppe und verließ meine Bar.
Nach kurzem Schweigen machte sich unsere Anspannung lautstark Luft. Ein Hey und Ho, eine Runde für alle, ein Hoch auf Wolfgang und seine Helden, Korken knallten, Karin drehte die Musik auf, Gläser klirrten. Der Auftakt für eine Party, die bis weit in den Morgen gehen sollte. Stefanie flüsterte Wolfgang etwas zu, und der begann zu grienen. Ich stellte das mittlerweile auf Hochglanz polierte Glas auf den Tresen, wo es im Laufe des Abends zerbrach. Ein Glas und etwas Naivität.
Freistoß
Zum zweiten Mal sponserte ich während eines Fußballbundesligaspiels ein Büffet in einer VIP-Loge des Olympiastadions. Als Sahnehäubchen legte ich diesmal meine zwei leckeren Polinnen oben drauf. Das alte Prinzip: Sehen und gesehen werden. Vor einigen Jahren hatte sich eine Urlaubsbekanntschaft von mir überraschend als teuerste Edelhure Münchens entpuppt und mich in das Nachtleben der bayerischen Hauptstadt eingeführt. Aus dieser Zeit waren mir etliche Freunde geblieben, auch Sportler und Funktionäre, die sich gern der unkomplizierten Lust hingaben. Alle diese Menschen würden sich – neben den Freunden und Stammkunden, die ich eingeladen hatte – hier im Olympiastadion in Berlin unter meinen Gästen befinden.
Das Spiel war ausverkauft, und dass ich noch eine VIP-Loge für 80 Leute hatte mieten können, lag nur an meinen Beziehungen zu einem Mitglied der Stadionverwaltung, dem ich beim Ausleben einiger Fantasien behilflich gewesen war. Die Längsseiten der Logen im Olympiastadion bestanden aus riesigen Panoramascheiben, durch die man einen hervorragenden Blick auf den Rasen hatte. Außerdem gab es eine Leinwand, auf der das Geschehen übertragen wurde. Die Räume waren an sich sehr stylish, wirkten auf mich aber ein wenig kühl, und deshalb entschloss ich mich zu einigen kleinen Verbesserungen. Die dunkelgrauen Ledersessel wurden durch rote ersetzt, in den Ecken türmten sich riesige Blumenbouquets, und die runden Marmortische wurden von bodenlangen weißen Damasttüchern bedeckt. Die Wirkung war verblüffend: Fast sah es aus wie bei uns zu Hause im Bel Ami .
Es war Samstag, der 30. April 1983, der 29. Spieltag der Fußballbundesliga, und es spielte der Tabellenvierte FC Bayern München gegen den Tabellenletzten Hertha BSC. Die tief verwurzelte Rivalität zwischen Bayern und Preußen sorgte immer wieder für volle Stadien, und eigentlich hätte ich wohl für die Berliner sein müssen – letztendlich war mir aber vollkommen egal, wer gewann. Da die Münchner über eindeutig mehr Geld verfügten, hatte ich beschlossen, einfach für den Besseren zu sein – also für die Münchener, was ja wohl das Gleiche war, wenn die Tabellenplätze aussagekräftig waren.
Den vorherigen Tag hatte ich fast ausschließlich meinem Aussehen gewidmet: neuer Anzug, neue Schuhe, Sauna mit anschließender Massage, Maniküre, ausreichend Schlaf. Ich hatte die Erfahrung gemacht, dass selbstsicheres Auftreten entscheidend davon abhing, ob man sich gut in seiner Haut fühlte oder nicht. In abgelatschten Schuhen konnte man unmöglich einem Spitzenfußballer die Hand schütteln. Nun, ich hatte dafür gesorgt, dass ich in den richtigen Kleidern steckte, und fühlte mich bestens gerüstet für ein neues Abenteuer. Alicia und Natalie musste ich die Bedeutung des heutigen Tages nicht erklären. Die Polinnen hatten anscheinend von Natur aus einen Sinn für festliche Anlässe und den ungezwungenen Umgang mit berühmten und reichen Männern.
Alicia war etwas kleiner als Natalie, auch gerundeter, ohne dabei dick zu sein. Sie trug ein enges, weinrotes Kleid, das kurz über den Knien endete und einen Ausschnitt am Rücken bot, der zwar tief war, aber die Grenze des Schicklichen nicht überschritt. Eine kunstvolle Hochsteckfrisur betonte ihren langen Hals und ein Paar Schuhe mit elf Zentimeter hohen Absätzen ihre schlanken Fesseln. Natalie hatte einen blauen Farbton gewählt, der ihre schönen, kühlen Augen leuchten ließ. Ihr Kleid war etwas kürzer, schimmerte in verschiedenen Nuancen und ließ mich an Meerjungfrauen denken. Beide sahen umwerfend aus und waren mein Garant für die Art von Aufmerksamkeit, die ich mir wünschte.
Ich fuhr mit meinem Mercedes direkt in die VIP-Zufahrt und
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