Bel Ami
hatte. Sie trug einen Rucksack, Wanderschuhe und Jeansjacke und fiel den Beamten nicht weiter auf. Sie hatten sie schon etliche Male aus der Maschine steigen sehen. Wohl eine Zonen-Liebe.
In der Hotelbar des Intercontinental beäugten sich Tanja und Simone neugierig. Tatsächlich waren sie sich auf den Fotos ähnlicher als in natura. Tanja war schlanker und etwas kleiner. Ihre Bewegungen ruhiger, ihr Blick beherrschter. Simone wollte neben ihr nicht richtig leuchten – so kam es mir vor. Aber warum zog sie mich dann – und wir kannten uns nun schon fast ein Jahr – noch immer so stark an?
»Ist hier noch ein Plätzchen frei?«
Ein graumelierter Herr zog sich lässig einen Stuhl heran und setzte sich zu uns. Ich erkannte ihn nicht wirklich, erinnerte mich aber dunkel an seine gepflegten Umgangsformen und üppigen Trinkgelder. Er kam sofort auf den Punkt.
»Könnten sich die beiden jungen Damen vorstellen, den Abend mit mir zu verbringen? Ich bin Heinrich, 52, die man mir, wie ich häufig höre, nicht ansieht, und außerdem bin ich, wie man mir auch immer sagt, ein recht amüsanter Unterhalter.«
Er streckte den beiden Blonden seine Hand entgegen.
»Darf es schon etwas zu trinken sein?«
Der Kellner schaute beflissen in die Runde.
»Einen Mo ë t Chandon und vier Gläser!«
Heinrich war nicht aufzuhalten.
»Das ist euch doch recht, oder?«
Tanja hatte sich am schnellsten gefasst und lächelte Heinrich professionell an. Ich war noch immer verdutzt. Nicht im Traum wäre ich auf die Idee gekommen, jemand könnte Simone für eine … ein käufliches Mädchen halten.
»Das ist äußerst großzügig von dir, Heinrich. Und wie großzügig denkst du denn insgesamt über so einen Abend?«
Heinrich wog Tanjas Brüste und Simones Jugend ab und kam auf: 2000 die Nacht!
Ich versuchte, unter dem Tisch gegen Tanjas Schienbein zu treten und gleichzeitig Simones Hand zu angeln, die sich verkrampft an der Gabel festhielt.
»Wir stoßen gerne mit dir an, Heinrich, aber leider liegt hier ein kleines Missverständnis vor. Darf ich vorstellen, die bezaubernde Tanja, und das hier ist: Simone – meine Freundin !«
Tanja lächelte säuerlich, Simone verunsichert.
»Oh, das freut mich außerordentlich. Dann lasst uns doch auf die Liebe anstoßen!«, reagierte Heinrich blitzschnell. Wir hoben die Gläser, die eilfertig gefüllt wurden.
»Und auf Tanja, die ja vielleicht lieber bei mir die erste Geige spielen, als hier das fünfte Rad am Wagen sein möchte.«
Er lachte laut auf, blinzelte Tanja zu und trank.
»Warum soll sie denn nicht auch mitkommen? Allein zahlt er mir nur 600!«, zischte mir Tanja giftig zu.
»Das geht dich gar nichts an. Kümmere dich um dich selbst und mach deine Arbeit!«
20 Minuten später saß ich mit Simone allein am Tisch.
»Ist das immer so?«
Simone hielt kopfschüttelnd die Hand über ihr Glas und sah mich an. Ich stellte die Flasche wieder ab.
»Was meinst du?«
»Dass sich Männer an den Tisch setzen, um über den Preis für ein Mädchen zu verhandeln.« Sie zögerte kurz. »Und mich für eine Nutte halten.«
»Na ja, kommt schon mal vor. Ich komm halt viel rum, bin überall bekannt, und da kann’s schon mal passieren, dass jemand denkt, ich wär geschäftlich da.«
Ganz ehrlich, ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal privat unterwegs gewesen war. Als Geschäftsmann war man das wohl nie.
»Ich würde so was nie machen! Das ist dir doch klar, oder?«
»Simone! Nie, ich schwöre«, ich hielt zwei Finger in die Höhe, »nie habe ich an so was auch nur gedacht. Ich liebe dich! Ich würde wahnsinnig werden bei der Vorstellung, dass dich ein anderer berührt. Ich …«, hier stockte ich, weil mir das, was ich sagen wollte, doch ungeheuerlich vorkam. Scheiß drauf, genau das fühlte ich aber!
»Ich möchte mit dir zusammen sein, mit dir Kinder haben, mit dir alt werden. Noch nie habe ich«, zwei Tränen liefen mir aus den Augen, und ich schämte mich nicht einmal dafür, so überwältigt war ich von mir und meinem Gefühl für dieses Mädchen, »noch nie habe ich so etwas gefühlt!«
Simone entzog mir ihre Hand und strich mir über die Wangen. »Du bist ein unglaublicher Mann, Detlef!«
Keine zehn Minuten später klingelte mein Funktelefon, und Simone ließ meine Hand los.
»Du kannst ruhig rangehen, Detlef!«
Ich zog den Apparat aus der Anzugtasche und sah Katjas Namen auf dem Display. Das konnte doch nicht wahr sein!
»Das kann warten. Ich rufe später
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