Bel Ami
Tischplatte abstützte. Als sie mit dem leeren Tablett zu mir kam, waren ihre Wangen nicht mehr rot, sondern so weiß wie ihr Kleid.
»Schwindlig?«
»Ganz kurz. Ist gleich wieder vorbei!«
»Alles gut, Süße. Ich übernehme!«
Simone wankte zur Toilette.
Anke kam zu mir und bestellte eine Flasche aufs Rote Zimmer. Ich freute mich. Es war das teuerste, der Champagner auch. Ich sah sie Arm in Arm mit ihrem Bewunderer zur Treppe gehen. Anke war erst seit zwei Monaten bei mir, etwas pummelig und hatte von vornherein darauf bestanden, ausschließlich als Tänzerin bei mir zu arbeiten. Ihre üppigen Rundungen machten mich skeptisch, doch musste ich mir eingestehen, dass sie dennoch eine appetitliche Erscheinung war und durchaus anregend tanzen konnte. Und wie gesagt, die Geschmäcker sind verschieden. Trotzdem war mir schleierhaft, was Männer dazu veranlassen konnte, so hohe Summen dafür auszugeben, sich einen tanzen zu lassen. Denn, so behauptete sie nach wie vor, einen echten Koitus würde sie nicht gestatten. Ich war neugierig geworden und auch ein wenig misstrauisch.
»Hey, mein Alter. Pass auf deine Kondition auf. Letzten Mittwoch hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich dich irgendwann noch schlagen werde!«
Wolfgang grinste mich an. Er war 47 und damit ein Jahr jünger als ich.
»So viel Bier kann ich gar nicht trinken, dass du jemals eine Chance gegen mich hättest. Deine Rückhand ist so schlecht wie eh und je!«
Wir prosteten uns zu. Seit dem Vorfall mit dem Fahrradkettenmann waren wir beste Freunde, und das war nun auch schon mehr als zehn Jahre her.
»Wenn ich auch verbeamtet wäre und genauso viel Zeit auf dem Tennisplatz verbringen würde wie du, dann … oh oh!« Ich sah ihn traurig an und schüttelte den Kopf.
»Okay, Detlef, du gehst einen Monat lang auf Verbrecherjagd, trinkst Automatenkaffee aus Pappbechern und hackst seitenlange Berichte ein. Derweilen werde ich dich vertreten, Champagner trinken, Kaviar essen, in Seide schlafen und mich an deiner schönen Frau ergötzen.«
Neben dem Stolz spürte ich auch ein wenig Eifersucht, weshalb mein Grinsen nicht ganz so ehrlich war wie seines.
Um ihn vom leidigen Thema Simone abzubringen, schlug ich ihm Folgendes vor:
»Hast du eben Anke nach oben gehen sehen?«
»Die üppige im blauen Kleid?«
Ich nickte.
»Seit Wochen spielt sie Unsummen ein«, ich beugte mich vor und betonte jede Silbe: »Als Tän-ze-rin!«
»Du meinst …«
»Genau, sie wackelt mit den Hüften, lässt sich wohl auch anfassen, aber sonst nix!«
»Na ja, ist doch schön! Sparst du die Bettwäsche!«
»Noch ’n Bier?«
Wolfgang schob mir wortlos sein Glas rüber.
»Hast du Lust, dir mal so ein Tänzchen anzuschauen?«
»Weiß nicht. Steh eher auf die schlanke Variante.«
»Geht aufs Haus!«
»Das Bier?«
Marie zog heftig am Ärmel meines Armani-Anzuges. Sie sah schrecklich aus.
Unwillig befreite ich mich von ihr und wendete mich wieder Wolfgang zu.
»Nein, das Tänzchen!«
»Willst du damit sagen, du brauchst einen Undercover-Agenten?«
»Detlef, komm schnell! Bitte!«
Ein Blick in Maries aufgerissene Augen machte mir klar, dass sie es wirklich ernst meinte.
»Ja, ja, so was in der Art. Kannst es dir ja überlegen! Sag mir, was du darüber denkst, wenn ich wiederkomme. Entschuldige kurz. Die Arbeit ruft!«
Ich zuckte resignierend mit den Schultern und ließ mich von Marie fortziehen.
»Was ist denn verdammt noch mal los?«
Ich bekam keine Antwort. Marie stieß die Tür zur Damentoilette auf und zeigte hinein. Ihr ganzer Körper zitterte, und ihr Kehlkopf hüpfte auf und ab wie ein winziger Tennisball. Widerwillig zwang ich mich dazu, ihrem Arm zu folgen. Es bot sich mir ein Bild, das ich nie wieder vergessen sollte.
Die Damentoilette war ein großer heller Raum, mit vier Kabinen auf der einen und einer dunkelgrünen Chaiselongue auf der anderen Seite. Eine der Türen stand offen. Ich erkannte Simones Schuhe. Silberne Sandalen mit Pfennigabsatz. Wir hatten sie gemeinsam in dem neu eröffneten Schuhgeschäft am Olivaer Platz gekauft. Sie hatte gelacht und gemeint, die Schuhe würden mehr kosten, als ihr Vater für seinen Lada bekommen hatte.
»Ist sie tot?«, fragte mich Marie schluchzend.
Ich stürzte zu meiner Frau, riss die Tür ganz auf und sah das Blut. Es war überall und schien mit jeder Sekunde mehr zu werden. Warum hatte sie nur das weiße Kleid angezogen? Ich glaubte durchzudrehen. Marie fing nun auch noch zu schreien an und wurde immer
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