Bel Canto (German Edition)
Theatergewand.
Um die Wahrhaftigkeit ihrer Worte zu beweisen, zeigte Giulia irgendeinen schönen Schmuck, den sie vom wohlhabendsten oder einflussreichsten Mann, der Giulia liebte, erhalten hatte.
Ich sehe Giulias nackte Schultern vor mir, den nackten Busen, die nackten Beine, den nackten Rücken, daneben glänzen Diamanten, Smaragde, Perlen, Rubine. Kein im künstlichen Rampenlicht aufscheinender Theaterschmuck, der verblasst, wenn wir ihn aus der Nähe im Schimmer schöner Nacktheit sehen. Nein, das waren echte Perlen, echte Diamanten, Rubine, Smaragde, die den nackten Frauenkörper mit einem Schwall glänzender Pracht, der im Perlenglanz aufleuchtet, übergossen; in deren Nähe nehmen die blonden Haare der Venus Goldglanz an, ihre Lippen und Brustwarzen die Farbe von Rubinen, ihre Augen den Abglanz großer Saphire. Ich erinnere mich gut an den großen Saphirschmuck, den mir Giulia in der Garderobe zeigte.
Ich sehe die Brillantbänder und Broschen vor mir, mit denen sie die Gunst der Venus beanspruchten – icherinnere mich nicht mehr, welcher von ihnen Advokat, Arzt, Industrieller war –, dieser Schmuck, Beweis ihrer Triumphe, ich sehe in seinem Glanz den Körper der Venus-Giulia, die mir beim hastigen Umkleiden in der Pause zwischen zwei Akten ihre Erfolge zuflüstert.
Im Zuschauerraum ist gerade wieder jemand, wer, weiß ich nicht, der Giulia liebt, das Spiel – Hol mich der Teufel – hat sich so oft wiederholt, dass ich nicht genau sagen kann, wer das war. Ich weiß nicht mehr, wer Giulia das Brillantband schenkte, wer die Perlenschnur, wer den Smaragdring, wer den Rubin, wer den goldenen Spiegel. Ich habe die Namen vergessen, ich erinnere mich nur an den Glanz dieses Schmucks in der Nähe des Venuskörpers; ich sehe sie nur in Pantöffelchen, wie ihr die Garderobiere hilft, das Theaterkostüm über den Kopf zu ziehen. Dabei erzählt sie mir, zugleich mit atemberaubender Geschwindigkeit das Aussprechen von – mi – mi – mi – mi – mi – mi – mi – mi – mi – mi – übend, dass sie heiraten werde – me – me – me – me – me – me – me – me – me – me –, jetzt Stunden bei einem neuen Lehrer nehme, der vorhergehende habe ihre Stimme nur verdorben. Jetzt übe sie nicht, nur ganz kurz, zwei Stunden vor der Vorstellung. Paolo vergöttere sie einfach.
Es gibt Zeiten, wo manche Giulias Schmuck plötzlich vermissen; Giulia spricht nicht darüber, sie spricht über ihren Erfolg: Ralf, ein Liederkomponist, liebe sie.
Ich bringe es allerdings nicht fertig, die Leidenschaft (so sagt Giulia) zu begreifen, die die zwei füreinander haben, mit der sie sich zueinander hingezogen fühlen. Ralf werde sich scheiden lassen, seine Lieder brächten ihm so viel ein, eine solche Summe, dass er seine Frau anständig auszahlenwerde. Der Ring, den Giulia bei diesen Worten trägt, sie nimmt ihn nicht einmal ab, wenn sie Theaterschmuck anlegt (damals trat sie in der Operette »Cleopatra« auf), bestätigt, Ralf macht wirklich mit seinen Liedern das große Geld.
Ich sehe die nackte Venus vor mir, zu ihren Füßen sitzt der Liederkomponist, die Hände auf den Tasten und schaut die Schönheit der blonden Venus an.
Später habe ich in der Zeitung gelesen, seine Frau hätte Gift genommen, sei aber gerettet worden. War Giulia die Ursache? Ich weiß nicht, ich weiß nur, sie erklärte damit ihre Trennung vom Komponisten.
Die kostbare Perlenschnur, der teure, in Form einer optischen Linse geschliffene Diamant waren von ihrem langjährigen Freund, aber von wem waren diese kleinen Armbänder, Nadeln, Oliven- und Lorbeerzweige?
Es gab eine Zeit, wo Giulia sich nach und nach von allem trennen musste, die Perlenschnur aber (oder eine Imitation?) behielt sie. Es blieben ihr nur ein Paar von der Mutter geerbte altertümliche Ohrringe und eine Spange.
Ernesto sah ihre Nacktheit ohne den blendenden Glanz der Juwelen einer Venus. Ernestos Augen konnten nur einen Mädchenring von geringem Wert sehen, einen Jungfrauenring? Ich weiß nicht, wie Ernesto darüber dachte, ich kann mir nur vorstellen, wie der nackte Venuskörper auf seinem Renaissancebett ausgesehen hat, mit einem von reich geschnitzten Säulen getragen Himmel.
Sie musste sich mir ins Gedächtnis prägen, diese geschnitzte breite Lagerstatt, so unüblich in heutiger Zeit, so unüblich in der Wohnung eines ledigen jungen Mannes! Sie erinnerte mich – als ich bei Ernesto zu Besuch war – eher an die prächtige Lagerstatt eines Magnaten,das Schlafzimmer
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