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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Milada Součková
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um ihren Auftritt nicht sehen wollte. Wie so oft in ihrem Leben ahnte Giulia nicht, in welch schmutzige und egoistische Verhältnisse siegerät. Wie immer trug sie auch damals ihren Kopf mit all den naturblonden Lockenhaaren hoch erhoben.
    Ich könnte die Hand dafür ins Feuer legen, sie war damals überzeugt, Doktor Zages Hände bebten vor Erregung wegen ihrer Anwesenheit, sie hätte den Gedanken verabscheut, sie bebten ihm vor Angst und Feigheit. Wie vorsichtig er sich benahm, wie leise er sprach, wie geräuschlos er auftrat!
    Wenn Giulia mir antworten könnte, würde ich sie fragen, ob Doktor Zages Hände zitterten, als er ihr das Tablett mit Obst und einem Glas Wein anbot. Ich zweifele nämlich nicht, dass diese beiden bekannten Requisiten in seinem Zimmer vorbereitet waren. Äpfel und Weintrauben sind in der Natur von einem Hauch überzogen; Obst, das man einfach herunterschlägt, drückt, das nie die Lippen von Liebespaaren berühren, in das man nicht mit gesunden Zähnen hineinbeißt – wird zu hässlichem, angestaubtem Obst im Fenster einer abgelegenen Weinstube, wo sie gepantschten Wein verkaufen, von dem einem schlecht wird; Wein, abscheulich sauer oder süßlich.
    Vielleicht zitterten Doktor Zages Hände so sehr, dass er nicht einmal wagte, das Tablett mit dem Obst aufzunehmen, das Tablett mit dem Wein, der nach der alten verqualmten Polsterung einer abgelegenen Weinstube, wo die Kanapees an wollüstig ängstlich zitternde Hände gewöhnt sind, übel roch.
    Giulia war damals unerfahren, aber wer weiß, ob sie heute zugeben würde, Doktor Zages Hände hätten aus einem anderen Grund als aus leidenschaftlicher Liebe zu ihr gezittert. Sie ist klug genug, auch durch den Abstand, mit dem sie auf die Vergangenheit blickt, über die sie sopoetisch redet und wo sie »verschneite Dächer« sieht, das zu erkennen. Ich weiß, sie sieht dort auch das volle Tablett mit dem staubigen Obst, sieht dort die Flasche Wein, ekelhaft sauer und süßlich (denn Giulia kennt sich mit Weinen aus), sie erinnert sich gut an die vor Angst und Feigheit zitternden Hände, würde das aber heute nicht gern zugeben. Nur ungern gesteht sie ein (und dazu muss man sie durch »Psychologie« verführen), in Doktor Zages Augen Erstaunen gesehen zu haben, dass sie noch Jungfrau war. Aber sie würde nicht zugeben, dass er auch noch in diesem Augenblick, hätte er nur gekonnt, zurückgewichen wäre. In diesem Augenblick aber war es schon zu spät und Julinka wurde die Geliebte Doktor Zages.
    Zur Umkehr war es schon zu spät. Hätte Doktor Zage geahnt, dass Julinka wirklich noch Jungfrau ist, hätte er sie nicht zum Besuch aufgefordert. Wie hätte er das ahnen können – er hielt es für nötig, sich vor sich selbst zu rechtfertigen – wo Julinka so bereitwillig auf sein Hofieren einging, sein Besuchsangebot mit solcher Selbstverständlichkeit angenommen hat. Oh Gott, wie konnte er das ahnen!
    Doktor Zage überlief kalter Angstschweiß: denn ihn überfiel der Gedanke: Was, wenn Julinka das nur gemacht hat, damit er sie heiraten muss? Bei diesem Gedanken brach ihm der Angstschweiß aus. Misstrauisch und fast mit Hass hat er Julinka angesehen: Wenn sie sich so frei benahm, so ohne Verlegenheit sein Angebot angenommen hat, wie konnte er ahnen, dass sie Jungfrau ist! Wie konnte ein verständiger Mann ahnen, dass das Mädchen, obwohl aus guter Familie, so willig auf sein Hofieren eingeht, so willig sein Angebot angenommen hat, wie konnte er ahnen –
    Doktor Zage schaute beinah mit Hass auf Julinka, als ob sie ihn beschwindelt, ihn in eine Falle gelockt hätte. Dann, als das Verlangen ihr Bild nicht mehr verzerrte, das Verlangen seine Angst nicht mehr bändigte, brach ihm der Angstschweiß aus. Am liebsten hätte er ein für den Besuch vorbereitetes Blatt Papier aus seinem Schreibtisch genommen, damit sie sah, er war gerade bei seinen Studien, denn er wollte, dass Julinka bewusst wird, er hat vor allem Pflichten, Pflichten, denen er nachkommen muss: Pflichten gegenüber seinem Studium, Pflichten gegenüber seiner Familie, vor allem aber Pflichten gegenüber sich selbst, denn ihm ist bestimmt, Karriere zu machen, und bis dahin ist überhaupt nicht an Heirat zu denken, bis dahin ist nicht daran zu denken; für seine Eltern wäre das eine große Enttäuschung, ihr Sohn ist es ihnen schuldig, ihre Wünsche zu erfüllen, für die sie viel Geld aufgewendet haben; auch seinen Freunden ist er das schließlich schuldig, die soviel Hoffnung in ihn setzen. Ehe

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