Belgarath der Zauberer
Winter. Mit meinem Besen hatte ich mehr Glück als mit der Axt. Schließlich kann man nur eine bestimmte Menge Staub in einer Ecke anhäufen, ehe dies offensichtlich wird, und mein Meister machte nie etwas Offensichtliches. Ich las weiter ein Buch nach dem anderen, doch mein Meister – geleitet von einem obskuren, sadistischen Instinkt – schien immer genau zu wissen, wann mir eine Störung am unwillkommensten war. Stets wählte er genau den unangenehmsten Augenblick, um mir vorzuschlagen, den Boden zu putzen, das Geschirr zu waschen oder Feuerholz zu holen.
Manchmal unterbrach er seine Tätigkeit um mir bei meinen Arbeiten zuzuschauen, und dabei wirkte er stets ein wenig verwirrt. Dann pflegte er zu seufzen und zu seinen Obliegenheiten zurückzukehren, von denen ich nichts verstand.
Die Jahreszeiten kamen und gingen in geordneter Reihenfolge, während ich meine Bücher las und mich mit den endlosen und immer schwierigeren Pflichten abmühte, die mein Meister mir auftrug. Ich bekam schlechte Laune und wurde verdrießlich, aber ich dachte nicht einmal daran fortzulaufen.
Dann, etwa drei – wahrscheinlicher fünf – Jahre, nachdem ich meine Dienstzeit angetreten hatte, war ich eines Wintertages bemüht, einen großen Felsbrocken zu bewegen. Bisher war mein Meister stets um ihn herum gegangen; nun aber fand er dies aus irgendeinem Grund unangenehm. Der Felsbrocken war ziemlich groß, wie ich schon sagte, von weißer Farbe und sehr, sehr schwer. Er wollte sich nicht von der Stelle bewegen; ich drückte, schob und strengte mich an, bis meine Arme nicht mehr wollten. Schließlich konzentrierte ich voller Wut all meinen Willen auf den Brocken und sagte: »Beweg dich!«
Und er bewegte sich! Nicht widerspenstig, als sträube sich das riesige Gewicht gegen meinen Willen, sondern ganz leicht, als wäre der Druck eines einzigen Fingers genug, um ihn durch das ganze Tal zu schaffen.
»Nun, Junge«, sagte mein Meister, und ich war überrascht, ihn plötzlich neben mir zu sehen. »Ich hatte mich schon gefragt, wie lange es dauern würde, bis du dahinterkommst.«
»Meister«, stammelte ich verwirrt, »was ist geschehen? Wie kommt es, daß sich der große Fels so leicht bewegt hat?«
»Er bewegte sich auf deinen Befehl, Junge. Du bist ein Mensch, und das ist nur ein Fels.« Wo hatte ich das schon einmal gehört?
»Können andere Dinge auch so erledigt werden, Meister?« fragte ich und dachte an all die vielen Stunden, die ich mit bedeutungslosen Aufgaben zugebracht hatte.
»Alles kann so getan werden, Junge. Setz deinen Willen ein, und sprich das Wort. Alles wird so geschehen, wie du es haben möchtest. Ich habe mich sehr gewundert, Junge, daß du es vorgezogen hast, alle Dinge mit der Kraft deines Körpers zu erledigen anstatt mit der deines Geistes. Ich begann mich schon zu fragen, ob mit dir etwas nicht stimmt.«
Plötzlich wurde mir alles klar, was ich vorher als nichtig abgetan oder ignoriert hatte oder wo ich es an Neugierde hatte fehlen lassen. Mein Meister hatte all diese Aufgaben für mich geschaffen, in der Hoffnung, daß ich schließlich hinter sein Geheimnis kommen würde. Ich ging zu dem Fels, legte die Hand darauf und sagte: »Beweg dich«, und unter der Kraft meines Willens bewegte der Stein sich so leicht wie zuvor.
»Fühlst du dich wohler, wenn du den Stein anfaßt, um ihn zu bewegen, Junge?« fragte mein Meister mit einer Spur Neugierde in der Stimme.
Natürlich! Diese Möglichkeit wäre mir nicht eingefallen. Ich blickte den Stein an. »Beweg dich«, sagte ich zögernd.
»Du mußt befehlen, Junge, nicht bitten.«
»Beweg dich!« brüllte ich, und der Fels bewegte sich und rollte dahin, nur getrieben von meinem Willen und dem Wort.
»Das ist viel besser, Junge. Vielleicht besteht doch noch Hoffnung für dich.«
Dann erinnerte ich mich an etwas. Merkt ihr, wie schnell ich solche Dinge durchschaue? Vor fünf Jahren habe ich den Stein, der die Tür zum Turm bildet, auch nur mit meiner Stimme bewegt. »Ihr wußtet die ganze Zeit, daß. ich es tun konnte, nicht wahr, Meister? Zwischen diesem Felsen und dem, der die Tür bildet, gibt es gar keinen Unterschied, nicht wahr?«
Er lächelte freundlich. »Das hast du sehr gut erkannt. Junge«, lobte er mich. Ich wurde es allmählich leid, daß er mich stets »Junge« nannte.
»Warum habt Ihr es mir nicht einfach gesagt?« fragte ich anklagend.
»Ich mußte wissen, ob du es allein herausfinden konntest, Junge.«
»Und all die Aufgaben, die ich über die
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