Belgarath der Zauberer
zufrieden mit Polgaras scharfem Verstand, doch ihre Eitelkeit, die immer augenfälliger wurde, gefiel mir weniger. Polgara war extrem in allem, was sie tat. Während ihrer frühen Mädchenjahre legte sie auf ihr Äußeres absolut keinen Wert. Nun dachte sie völlig anders. Sie mußte mindestens einmal am Tag baden – sogar im Winter. Ich habe stets die Ansicht vertreten, daß Baden im Winter der Gesundheit schadet, doch Pol wollte nichts davon hören und tauchte bei jeder Gelegenheit bis zu den Augenbrauen in warmes Seifenwasser. Abgesehen davon, schlug sie auch mir vor, öfter zu baden. Ich glaube, sie hatte eine Art geistigen Kalender im Kopf und konnte mir stets sagen – und das tat sie auch häufig –, wieviel Zeit genau seit meinem letzten Bad verstrichen war. Wir unterhielten uns oft und lange darüber.
Mir war es egal, ob sie fünfmal am Tag baden wollte, aber sie bestand auch darauf, jedesmal ihr Haar zu waschen! Polgara hat volles, langes Haar, und mir schien, daß unser Turm zu einem Herd für ansteckende Krankheiten wurde. Der Geruch von feuchtem Haar gehört nicht zu meinen Lieblingsdüften. Im Sommer war es nicht so schlimm, denn ich konnte die Fenster öffnen; aber im Winter mußte ich damit leben.
Sie trieb es auf die Spitze, als sie Beldarans Spiegel so aufstellte, daß sie sich beim Lesen betrachten konnte. Polgara war wirklich mindestens so hübsch geworden wie Beldaran, aber wirklich…
Was sie mit ihren Augenbrauen tat, sah schrecklich schmerzhaft aus.
Ich weiß sogar ganz genau, daß es schmerzhaft war, denn ich erwachte eines Morgens, als sie sich über mich gebeugt hatte und meine Brauen zupfte – Haar für Haar. Als sie damit noch nicht zufrieden war, machte sie bei meinen Ohren weiter. Ein gepflegtes Äußeres ist eine feine Sache; aber hier ging es mir zu weit. Ein Mann hat nicht ohne Grund Haare im Ohr. Es hält Käfer fern und schützt das Gehirn vor der Winterkälte. Polgaras Mutter hatte es nie gestört, daß ich haarige Ohren besaß. Natürlich sah Poledra die Welt mit anderen Augen.
Pol beschäftigte sich unendlich lange mit ihrem Haar.
Sie kämmte es.
Sie bürstete es.
Sie machte mich ganz verrückt damit Ja, ich weiß, daß Polgara wunderschönes Haar hat aber es kräuselt sich, wenn es kalt wird. Versucht es selbst einmal. Laßt euer Haar so lange wachsen, bis ihr euch darauf setzen könnt; dann bürstet es an einem kalten Morgen. Manchmal sah sie aus wie ein Igel, und Funken sprühten von ihren Fingern, wenn sie etwas Metallisches berührte.
Sie fluchte viel darüber. Polgara hört es nicht gern, wenn andere fluchen; aber sie kennt alle diese Wörter und benutzt sie auch.
Es war wohl Ende des Frühjahrs in ihrem achtzehnten Lebensjahr, als Polgara über ihren eigenen Schatten sprang und ihr Talent demonstrierte, während ich dabei zuschaute. Pol ist in dieser Hinsicht seltsam bescheiden. Sie mag es nicht gern, jemand um sich zu haben, der beobachtet was sie tut Ich vermute, es hat etwas mit Nacktheit zu tun. Niemand – und ich meine wirklich niemand – hat je gesehen, wie Polgara triefend naß aus ihrem Bad stieg und dabei nichts anderes trug als ein verträumtes Lächeln. Sie verbirgt ihr Talent auf dieselbe Weise – außer im Notfall.
Eigentlich war es gar kein Notfall. Polgara war tief in ein Buch über melcenische Philosophie vertieft, und sie war äußerst konzentriert Ich bemerkte beiläufig, daß wir seit zwei Tagen nichts gegessen hatten. Ich hätte meine Wolfsgestalt annehmen und eine Feldmaus oder zwei erjagen können, aber ich wollte wirklich etwas Eßbares. Feldmäuse sind nicht schlecht; aber an ihnen ist nicht viel mehr als Fell und Knochen, und das ist nicht genug für ein ausgewachsenes Tier.
»Schon gut«, sagte sie und vollführte eine nachlässige Geste – ohne auch nur die Augen von ihrem Buch zu nehmen –, und plötzlich lag ein dampfender Rinderschlegel auf dem Küchentisch, allerdings nicht auf einem Teller.
Ich starrte ihn leicht verärgert an. Zum einen tropfte der Bratensaft auf den Boden, zum anderen war der Braten nicht gar. Polgara hatte ein Stück Rind herbeigeschafft. Nun war es an mir, es zu würzen und fertigzukochen.
Ich biß mir auf die Unterlippe. »Danke«, sagte ich sauer.
»Schon gut«, erwiderte sie, ohne auch nur die Augen von ihrem Buch zu nehmen.
24. K APITEL
ie Welt außerhalb des Tales veränderte sich. Daran ist nichts sonderlich bemerkenswert; die Welt ist nun mal stetem Wandel unterworfen. Der einzige
Weitere Kostenlose Bücher