Belgarath der Zauberer
ihn zu finden. Ich ging an der Rückwand des Balkons entlang, der so typisch für jeden dieser Tempel ist, und fand schließlich die richtige Tür. Natürlich war sie verschlossen.
Ein einziger Gedanke hätte sie geöffnet; aber wahrscheinlich wäre Ctuchik auf mich aufmerksam geworden. Murgosische Schlösser sind jedoch nicht sehr kompliziert gearbeitet; also tat ich es auf andere Weise. Ich kann Silk als Einbrecher gewiß nicht das Wasser reichen, doch ich hatte schon ein wenig Erfahrung mit dieser Art von Arbeit.
Hinter der Tür führte eine Treppe nach unten. So leise wie möglich stieg ich hinunter und gelangte zu einer merkwürdigerweise unbewachten, schwarzen Tür. Ich glaube, mein Besuch machte Ctuchik klar, diese Tür künftig zu sichern. Ich knackte das Schloß und ging hinein.
Ich fühlte Ctuchiks Gedanken über mir; deshalb hielt ich mich nicht damit auf, den unteren Bereich des Turmes zu erforschen. Wir denken wohl ähnlich und fühlen uns deshalb in Türmen am wohlsten.
Ich stieg die Stufen hinauf. Die zweite Ebene ignorierte ich und ging ganz nach oben. Die Tür dort war unverschlossen, und ich fühlte Ctuchiks Gegenwart dahinter. Er schien etwas zu lesen und war nicht sehr wachsam.
Ich öffnete die Tür. Ein ausgemergelter Grolim mit weißem Bart saß an einem Tisch neben einem der runden Fenster und brütete beim Licht einer Öllampe über einer Schriftrolle. Der Murgo, den ich auf den Felsklippen gesehen hatte – Agga hieß er, glaube ich –, hatte Ctuchik als einen Mann beschrieben, der aussah, als sei er seit Wochen tot Ich bemerkte nun, daß Agga untertrieben hatte. Noch nie zuvor habe ich jemanden gesehen, der so sehr einer Leiche glich wie Ctuchik.
»Was?« rief er aus, ließ die Schriftrolle fallen und sprang auf. »Wer hat dir erlaubt hierherzukommen?«
»Es ist spät, Ctuchik«, erklärte ich ihm. »Ich wollte niemanden belästigen; deshalb habe ich mich selbst hereingelassen.«
»Du!« Seine tiefliegenden Augen loderten.
»Tu nichts Unüberlegtes«, riet ich ihm. »Das ist nur ein Besuch. Hätte ich etwas anderes vor, wärst du bereits tot.« Ich schaute mich um. Sein Turm war bei weitem nicht so unordentlich wie der meine; aber er hatte auch noch nicht lange hier gelebt Es dauert Jahrhunderte, um wirklich Unordnung zu schaffen. »Wie bist du nur darauf gekommen, dich an diesem gräßlichen Ort niederzulassen?« fragte ich ihn.
»Es gefällt mir hier«, war seine kurze Antwort, und ich merkte, daß er sich bemühte, die Fassung zu wahren. Er lehnte sich zurück und hob seine Schriftrolle auf. »Du tauchst immer auf, wenn man dich am wenigsten erwartet, nicht wahr, Belgarath?«
»Das ist eine Begabung. Bist du sehr beschäftigt? Ich kann ein andermal wiederkommen, wenn du etwas Wichtiges vorhast.«
»Ich habe ein wenig Zeit für dich übrig.«
»Gut.« Ich schloß die Tür, ging zu seinem Tisch und setzte mich direkt ihm gegenüber auf einen Stuhl. »Wir sollten uns unterhalten, Ctuchik – solange wir so nahe beieinander leben.«
»Bist du gekommen, um mich in der Nachbarschaft willkommen zu heißen?« Er wirkte leicht amüsiert.
»Eigentlich nicht. Wir sollten bloß ein paar Regeln klarstellen. Ich will nicht, daß du einen Fehler machst.«
»Ich mache keine Fehler, Belgarath.«
»Ach, tatsächlich? Ich weiß bestimmt von einem Dutzend, die dir schon unterlaufen sind. Du hast dich in Cthol Mishrak nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn ich mich recht entsinne.«
»Du weißt daß es vorbestimmt war, was in Cthol Mishrak geschehen ist«, erwiderte er. »Hätte Zedar seinen Auftrag besser erfüllt wärst du gar nicht so weit gekommen.«
»Zedar ist manchmal ein wenig unzuverlässig – aber darüber wollte ich gar nicht sprechen. Ich bin nicht gekommen, um über alte Zeiten zu reden. Ich bin hier, um dir einen Rat zu geben. Halte die Murgos an der kurzen Leine. Es ist noch nicht die Zeit für eine größere Veränderung; das wissen wir beide. Vieles muß noch geschehen, ehe wir zur Sache kommen können. Halte die Murgos von den westlichen Königreichen fern. Sie werden den Alornern langsam lästig.«
Er höhnte: »Oh, wie schrecklich.«
»Versuch nicht witzig zu sein. Du bist noch nicht bereit Krieg zu führen, Ctuchik – schon gar nicht mit den Alornern. Eisenfaust hat den Orb, und du hast bei unserem kleinen Treffen in Cthol Mishrak gesehen, was er anrichten kann. Falls du es nicht schaffst, die Murgos zur Vernunft zu rufen, wird er dir einen kleinen Besuch
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