Belgarath der Zauberer
Polgara. »Sollte Rhodars Bericht nicht den Tatsachen entsprechen, könnte Urvon sich immer noch aus dem Süden nähern. Sollte Kal Torak aber bei Vo Mimbre siegen, säße er an der Nordgrenze, und zwischen ihm und Tol Honeth befänden sich bloß einige unbewaffnete Bauern. Wenn das eintrifft, wird sich die Katastrophe von Drasnien wiederholen.«
Das schien ihn ein wenig zu beunruhigen; Ran Borune jedenfalls machte einen besorgten Eindruck. Der scharfsinnige kleine Herrscher dachte eine Zeitlang nach. »Können wir hier einen Kompromiß schließen?« fragte er schließlich.
»Ich höre mir Euren Vorschlag gern an«, sagte Rhodar.
»Warum schicken wir nicht die Hälfte der Legionen nach Arendien und lassen die andere Hälfte an der Südgrenze?«
»Würde das genügen, Belgarath?« fragte Rhodar.
»Es wäre ein gewagtes Spiel«, erwiderte ich unsicher.
»Ist das Euer Majestät Entscheidung?« wollte Cerran von seinem Herrscher wissen. »Es deckt beide Grenzen ab, aber…« Er beendete den Satz nicht.
»Ich glaube, uns bleibt keine andere Wahl, Cerran. Wir müssen beide Seiten verteidigen.«
»Ich hasse Zweifrontenkrieg«, brummte Cerran. Er starrte eine Weile düster an die Decke. »Zahlenmäßige Überlegenheit ist weitgehend eine Sache des äußeren Scheins. Meistens wird nur die Hälfte der Truppe in Kampfhandlungen verwickelt. Der Rest wird als Reserve zurückgehalten – üblicherweise dort, wo der gegnerische General ihn sehen kann.«
»Das ist die normale Vorgehensweise«, pflichtete Rhodar ihm bei. »Mir stehen Nachschubkräfte zur Verfügung«, ließ Cerran uns wissen. »Sie sind nicht besonders gut ausgebildet, und ihre körperliche Verfassung läßt zu wünschen übrig. Ich kann nicht einmal einschätzen, wie gut sie kämpfen. Aber ihr Aussehen genügt vielleicht, Kal Torak zu beeindrucken.«
»Wo habt Ihr denn diese Phantomarmee, Cerran?« fragte Ran Borune.
»Hier in Tol Honeth. In der kaiserlichen Garnison sind acht Legionen stationiert, Majestät. Die Männer sind fett, faul und fast durchweg Honeths. Niemand hat es bisher geschafft einen Honethiten zum Soldaten zu machen, aber sie würden unsere Truppen vor Vo Mimbre zahlenmäßig verstärken.«
»Das wäre ein Anfang«, stellte Rhodar fest.
»Ich glaube, ich kann noch mehr tun«, fuhr Cerran fort. »Hier in der Nähe von To Honeth gibt es zwölf Ausbildungslager für Rekruten und sieben weitere bei Tol Vordue. Diese Rekruten können vermutlich nicht einmal in Reih und Glied marschieren, aber sie haben Uniformen. Somit können wir den Anschein erwecken, über siebenundzwanzig weitere Legionen zu verfügen. Wenn wir die Hälfte der regulären Legionen von der Südgrenze abziehen und ihnen diese Soldaten zuweisen, wird sich Kal Torak an seiner rechten Flanke einer Armee gegenübersehen, die so aussieht, als würde sie aus fünfundsiebzig Legionen bestehen – und König Eldrigs Berserkern. Das sollte genügen, Kal Toraks Aufmerksamkeit zu erregen.«
»General Cerran, Ihr seid ein Genie!« lobte Ran Borune überschwenglich.
»Wißt Ihr, Belgarath«, sagte Rhodar, an mich gewandt, »ich glaube, das könnte seinen Zweck erfüllen. Kal Torak mag verrückt sein, doch Ad Rak Cthoros von Cthol Murgos ist es nicht, und ebensowenig ist es Yar Lek Thun von den Nadrakern. Sie werden nicht zulassen, daß ihre Armeen aufgerieben werden, solange es Malloreaner auf diesem Kontinent gibt. Sie mögen zwar vor Kal Torak die Knie beugen, aber sie gehen sicher nicht so weit, ihm zu trauen. Wenn sie den Eindruck haben, hoffnungslos in der Minderzahl zu sein, werden sie desertieren. Ich werde mit Cho-Ram darüber sprechen. Falls die Murgos und die Nadraker Heimweh bekommen, sollten wir uns ihnen nicht in den Weg stellen, wenn sie sich Richtung Osten in Bewegung setzen.«
»Was ist mit den Thulls?« fragte Cerran.
»Die Thulls würden ihren Heimweg ohne Blindenhunde nicht finden, General«, erwiderte Rhodar lachend. »Sie haben einen ziemlich begrenzten Orientierungssinn und sind auch in anderer Hinsicht recht beschränkt. Der durchschnittliche Thull braucht die Hälfte des Tages allein dazu, seine Schuhe zu binden.«
»Meine Herren, ich hoffe, ihr erkennt, daß ihr das Geschick der Welt von einem Kunstgriff abhängig macht, nicht wahr?« meinte Polgara.
»Es ist ein gewagtes Spiel, edle Polgara«, gab Rhodar lächelnd zu, »aber das Spielen kann sehr vergnüglich sein, und je höher der Einsatz, desto größer der Spaß.«
Sie seufzte und verdrehte die
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