Belgarath der Zauberer
mein Junge?«
»Ich glaube, Tante Pol ist älter, als sie aussieht.«
»Sie ist, was man ›gut erhalten‹ nennt, Geran. Ich würde allerdings kein großes Aufhebens davon machen, wenn ich du wäre. Damen sind ein wenig empfindlich, wenn es um ihr Alter geht.«
»Du bist alt, und dich scheint es nicht zu stören.«
»Das kommt daher, daß ich niemals erwachsen wurde. Ich weiß immer noch, wie man Spaß haben kann. Das hält jung. Deine Tante meint, daß es nicht wichtig ist, Spaß zu haben.«
»Sie ist seltsam, nicht wahr? Manchmal glaube ich, sie ist die seltsamste Frau der Welt.«
An dieser Stelle konnte ich das Lachen nicht mehr zurückhalten.
»Was ist denn so komisch?«
»Eines Tages werde ich es dir erklären. Du hast allerdings recht. Unsere Familie ist etwas Besonderes. Aber wir müssen uns so verhalten, als wären wir ganz normale Leute. Deine Tante wird es dir erklären, wenn du ein bißchen älter bist.«
»Fühlst du dich gut deswegen? Ich meine, weil du etwas Besonderes bist?«
»Eigentlich nicht Es ist auch gar nicht so kompliziert, Geran. Es gibt etwas sehr Wichtiges, das unsere Familie tun muß, und es gibt Leute auf der Welt die das gern verhindern würden.«
»Wir werden es aber trotzdem tun, nicht wahr?« Sein Jungengesicht wirkte sehr entschlossen.
»Das werden wir wohl – aber das wird noch eine Weile auf sich warten lassen. Wirst du jetzt den Fisch einholen, oder soll er den Rest des Tages am Haken hängen?«
Mein Enkel ruckte an der Angelrute und holte einen Fisch ein, der gewiß fünf Pfund wog.
Ich denke ziemlich oft an diesen Tag zurück. Alles in allem war er einer der schöneren Tage.
Der Winter stand schon fast vor der Tür, als Polgara zurückkehrte. Die Blätter hatten sich verfärbt und waren zu Boden gefallen. Der Himmel war grau, und es roch nach Schnee, als sie – in ihrem blauen Umhang und mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht – die einzige Straße in Annath entlangschritt.
Ich sah sie kommen und ging ihr entgegen. »So bald schon zurück, Pol?« hänselte ich. »Wir haben dich noch gar nicht vermißt Kannst du mir nun erzählen, wo du warst und was du getan hast?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich mußte wieder nach Nyissa, um mich dort mit einigen Leuten zu treffen.«
»Ach? Mit wem?«
»Mit Zedar zum einen und mit der jetzigen Salmissra zum anderen.«
»Pol, halte dich von Zedar fern! Du bist fähig, aber nicht so fähig.«
»Es war nötig, Vater. Zedar und ich müssen einander kennen. Das ist eines dieser Dinge.«
»Was hat Zedar vor?« wollte ich wissen.
»Ich verstehe gar nicht warum du so aufgeregt bist was Zedar betrifft. Er ist doch wirklich ein erbärmlicher Wicht.
Er ist ungepflegt, ißt zu wenig und sieht schrecklich ungesund aus.«
»Gut Ich wünsche ihm alle Freuden schlechter Gesundheit. Ich erfinde ihm sogar noch neue Krankheiten dazu, wenn das, was derzeit zur Verfügung steht, ihn langweilt.«
»Vater, du bist ein Barbar.«
»Du sagst es. Was tut er in Nyissa?«
»Soweit ich es feststellen konnte, wurde er Vagabund. Er zieht umher, auf der verzweifelten Suche nach irgend etwas – oder irgend jemand.«
»Wollen wir hoffen, daß er das oder den Betreffenden nicht findet.«
»Im Gegenteil, es ist außerordentlich wichtig, daß er Erfolg hat. Wenn er es nicht findet, mußt du es selbst tun, und du weißt nicht einmal, wonach du suchen sollst.«
»Weiß Zedar es denn?«
»Nein. Was er sucht wird ihn finden.«
Das war der erste Hinweis darauf, daß Eriond kommen würde. Beldin und ich hatten uns bereits darüber unterhalten und waren übereingekommen, daß Eriond und Torak Spiegelbilder voneinander waren – Torak auf der einen Seite und Eriond auf der anderen. Jeder war das genaue Gegenstück des anderen.
Manchmal frage ich mich, ob Torak wußte, daß er der Irrtum war.
Das allein würde meine ganze Existenz rechtfertigen.
»Warum mußtest du mit Salmissra sprechen?« fragte ich.
»Um sie zu warnen«, erwiderte meine Tochter. »Sie wird in einigen Jahren etwas tun, und ich muß darauf reagieren. Es wird ihr nicht sehr gefallen – und mir auch nicht.« Polgara seufzte. »Die Sache wird höchst unerfreulich, fürchte ich, aber mir wird keine Wahl bleiben.« Plötzlich schlang sie die Arme um mich und vergrub ihren Kopf an meiner Schulter. »0 Vater«, schluchzte sie, »warum muß ich es tun?«
»Weil du die einzige bist, die es vollbringen kann, Pol.« Dann drückte ich sie an mich und tröstete sie.
Während der
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