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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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Mann fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen.
    »Ich weiß alles über sie«, sagte er. »Ich habe sie umgebracht.«

40
    »Er heißt Jeremy Dechant«, erzählte mir Elizabeth an jenem Abend. »Und er kommt aus Sylvania, Ohio, einem Vorort von Toledo.«
    Sie war gerade nach Hause gekommen, um halb neun herum. Sarah und ich hatten bereits zu Abend gegessen: gegrilltes Hähnchen und ein Tomaten- und Gurkensalat. Ich räumte den Geschirrspüler ein.
    »Er hat Lucys Roman gelesen«, sagte Elizabeth. »Er behauptet, dass er durch die Lektüre endlich erkannt hat, dass er eigentlich ein Vampir war. Er dachte, wenn er sie entführt und ihr Blut trinkt, hätte das die entsprechende Wirkung. Sagte, er hätte nie vorgehabt, sie zu töten.«
    Es stellte sich heraus, dass beinahe nichts von dem, was er sagte, stimmte.
    »Er fährt keinen blauen Kleinbus«, erzählte Elizabeth. »Ich bezweifle, dass er je auf dem Parkplatz des Winston Hotels gewesen ist. Er konnte uns keine Beschreibung davon geben. Wir fragten, ob er uns zu Lucys Leiche führen könnte, und er sagte, sie hätte sich in eine Art Dunst aufgelöst, als sie starb. Anscheinend ist es das, was passiert, wenn man einen Vampir tötet.«
    Sie stand am Küchentresen und hatte ein Glas Limonade in der Hand. »Wir haben mit der Polizei in Sylvania gesprochen«, sagte sie. »Sie kennen ihn schon. Vor etlichen Jahren ist eine Schizophrenie bei ihm diagnostiziert worden. Sie haben ihn ein paarmal aufgesammelt, weil er auf der Straße völlig ausgerastet ist. Er hat eine ungesunde Faszination für totgefahrene Tiere. Einmal haben sie ihn erwischt, als er in der Nähe seines Elternhauses mit einem Rehkadaver am Highway entlanglief.«
    Sie unterbrach sich, um einen Schluck zu trinken. »Heute hatte er einen Rucksack dabei. Darin zwei Sachen – ein Exemplar von Lucys Roman und ein totes Eichhörnchen, das in eine Mülltüte eingewickelt war. Er sagte, er hätte Durst nach Menschenblut verspürt, aber gedacht, dass er besser bei Eichhörnchen bleibt.«
    »Na prima«, sagte ich. »Was habt ihr mit ihm gemacht?«
    »Wir haben ihn zurück nach Ohio geschickt. Seine Eltern werden ihn begutachten lassen. Die Polizei in Sylvania sagte, sie würden sich im Umkreis des elterlichen Wohnhauses umsehen – es gibt in der Nähe ein Waldgebiet. Sie halten es für möglich, dass er mit Lucys Verschwinden zu tun hat. Ich glaube, er hat sich das alles bloß ausgedacht. Er hat einen Bericht über sie in den Nachrichten gesehen und sich eine Geschichte dazu zurechtgesponnen. Das Einzige, wofür er wirklich schuldig gemacht werden kann, ist, mir einen halben Arbeitstag geklaut zu haben.«
    Elizabeth wärmte sich die Reste auf, und ich beendete meine Aufräumaktion. Dann vertiefte sie sich in die Akte über Anthony Lark, breitete die Seiten auf dem Esszimmertisch aus und machte sich Notizen. Sie erstellte eine Zeitleiste der Ereignisse um den Tod von Charlie und Terry Dawtrey und Henry Kormoran sowie um den Angriff auf Sutton Bell. Das tat sie immer, wenn sie sich an einem Problem abarbeitete. Wenn man die Dinge in eine bestimmte Ordnung bringt, sagte sie stets, sieht man Verbindungen, die einem vorher nicht aufgefallen sind.
    Jeremy Dechant war Thema der lokalen Spätnachrichten. Der Bericht war eher dürftig, und mich beschlich das Gefühl, dass der Reporter vor allem die Gelegenheit gesucht hatte, von einem »bizarren Geständnis« zu sprechen. Er sendete seinen Bericht vom Rasen vor dem Haus der Dechants aus. Ein beflissen wirkender Polizist aus Sylvania sagte etwas von einer laufenden Ermittlung. Niemand von der Polizei in Ann Arbor gab dazu irgendeinen Kommentar ab.
    Danach schaltete ich den Fernseher aus und verkündete, dass ich noch ins Büro fahren wolle. Mit diesen Worten verabschiedete ich mich auch von Sarah, die auf der Veranda vor dem Haus saß und telefonierte. Sie sah mich zweifelnd an. »Wirklich«, sagte ich.
    Und genau dahin fuhr ich auch. Ich ließ meinen Wagen hinter dem Gebäude stehen und fuhr mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. Setzte mich bei geöffnetem Fenster an meinen Schreibtisch, während die Klänge eines Saxofons von der Straße heraufwehten. Ann Arbor an einem Freitagabend.
    Ich hielt etwa zwanzig Minuten durch und arbeitete an der Geschichte vom Detektiv und der Erbin. Danach schloss ich das Fenster, versperrte die Tür und fuhr in die Summit Street. Die Vorhänge des Hauses mit der Nummer 315 waren fest zugezogen, aber dahinter konnte ich etwas Licht

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