Bell ist der Nächste
wurde sieben Monate nach der Hochzeit seiner Eltern geboren. Also wurde er unehelich gezeugt.«
Elizabeth nickte. »Oder er war eine Frühgeburt.«
»Und das ist wichtig?«
»Ich weiß noch nicht, was wichtig ist.«
Zum Zeitpunkt des Überfalls hatte Kenneally an der University of Wisconsin in Madison studiert.
»Hat Floyd Lambeau je in Wisconsin unterrichtet?«, fragte ich.
Elizabeth gab mir eine mehrseitige Auflistung von Lambeaus Vorlesungen und Seminaren über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Ein gelber Zettel markierte die entsprechende Stelle.
»Er hat dort ein Seminar über die Geschichte der amerikanischen Ureinwohner gegeben«, sagte sie.
Ich sah mir die markierte Stelle an. Das Seminar hatte ein paar Monate vor dem Überfall stattgefunden. »Er ist es«, sagte ich. »Kenneally war der Fahrer des Fluchtautos.«
Sie warf mir einen gutmütigen Blick zu. »Vor nicht allzu langer Zeit dachtest du noch, es sei Jay Casterbridge.«
»Das war eine Vermutung. Dies ist der Beweis.«
»Das genügt nicht. Noch nicht.«
Am Freitag wachte ich erst um die Mittagszeit auf. Als ich nach unten ging, sah ich, dass Elizabeth und Sarah fort und alle Vorhänge aufgezogen waren. Strahlender Sonnenschein drang ins Haus.
Eine Dreiviertelstunde später fuhr ich in die Redaktion. Der Briefkasten unten war vollgestopft. Ich holte die Umschläge heraus und nahm sie mit in den fünften Stock. Während ich sie noch durchging, klingelte das Telefon.
Die Stimme in der Leitung sagte: »Ich habe in der Zwischenzeit noch mehr in Ihrer Zeitschrift gelesen, Mr Loogan.«
Eine Frauenstimme. Ich brauchte einen Moment, bis ich Amelia Copeland erkannte. Ich meinte, Fahrgeräusche im Hintergrund zu hören. Ich stellte mir vor, wie sie in einem Oldtimer-Sportwagen dahinbrauste.
»Ich habe gerade eine Story mit dem Titel ›Blood Over Jade‹ gelesen«, sagte sie. »Sie ist betörend. Und die Dialoge – einfach hinreißend.«
»Hinreißend?«, sagte ich.
»Spritzig. Sie sind ein faszinierender Mann, Mr Loogan.«
»Das ist nicht meine Absicht.«
»Die meisten Leute, denen ich Geld anbiete, stolpern geradezu über die eigenen Füße, um es sich abzuholen. Aber Sie nicht.«
Jetzt fiel es mir wieder ein: Sie hatte mich gebeten, anzurufen und einen Termin zu vereinbaren.
»Bitte verzeihen Sie«, sagte ich. »Ich war nicht in meinem Büro. Ich musste mich erholen von« – von was musste ich mich erholen? – »einer Enttäuschung.«
»Einer Enttäuschung?«
»Einer Schusswunde.«
Sie lachte. »Das ist großartig. Sie können mir gern bei einem Abendessen davon erzählen. Haben Sie Zeit?«
»Heute?«
»Sagen wir um fünf Uhr. Bei Giovanni. Kennen Sie es?«
»Ja.«
»Entzückend. Dann bis später.«
Ich legte auf und sagte »entzückend« zu dem leeren Büro. Ich drehte meinen Stuhl langsam im Kreis und versuchte, mir klarzumachen, was gerade geschehen war. Amelia Copelands Geld sollte doch meine Kooperationsbereitschaft erkaufen. Das letzte Mal hatte sie angerufen, weil Alan Beckett wollte, dass ich Lucy davon überzeugte, ihre Geschichte über Callie Spencer fallen zu lassen. Aber das konnte es nicht sein, was er jetzt wollte. Lucy hatte ihre Geschichte bereits fallen gelassen.
Ich hielt den Stuhl an. Vielleicht übertrieb ich meine Suche nach Hintergründen auch. Vielleicht mochte Amelia Copeland meine Zeitschrift schlicht und ergreifend. Manchmal sind die Dinge genau das, was sie zu sein scheinen.
Ich verbrachte den Nachmittag damit, meine Post durchzusehen und Manuskripte zu redigieren, und um fünf Uhr ging ich zu Giovanni hinüber. Ich sah Amelia Copeland an einem Tisch auf dem Balkon sitzen. Sie trug eine Anzughose und dazu eine Seidenbluse und Perlenohrringe. Sie bestellte Orecchiette alla rustica, ich wählte Penne con pollo.
Unser Gespräch sprang von einem Thema zum anderen. Sie klopfte meine Kenntnisse der Klassiker ab: Arthur Conan Doyle, Dashiell Hammett, Dorothy Sayers. Sie zeigte mir Bilder ihrer Enkel: gut aussehende Mädchen und Jungen, die ritten, Hockey und Softball spielten. Sie wollte wissen, wie es sich anfühlte, einen Schuss abzukriegen, und ich erzählte ihr von Anthony Lark. Sie hatte von ihm gehört, aber seine Geschichte nicht weiter verfolgt.
»Ich interessiere mich nicht mehr so für die Nachrichten«, sagte sie. »Zu trostlos.«
Als der Kellner unsere Teller abräumte, bestellte sie Espresso und Tiramisu für uns beide und kam zum Geschäftlichen. Sie fragte mich, ob hinter Gray Streets
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