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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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vielleicht in einem Haus, das der Casterbridge Realty gehörte. Gefesselt und vielleicht auch unter Drogen gesetzt. Kenneally war Psychiater, er hätte Zugang zu Betäubungsmitteln.
    Wie genau die ganze Sache sich abgespielt hatte, konnte mir im Moment nur meine lebhafte Fantasie sagen. Vielleicht war ihr gedroht worden. Ich stellte mir vor, wie sich Alan Beckett an irgendeinem dunklen Ort über sie lehnte und ihr erzählte, dass diese ganze Qual vorbei sein könnte, wenn sie nur das Angebot akzeptierte, das er ihr gemacht hatte. Wenn sie diese Geschichte über Callie sein ließ und wieder Vampirbücher schrieb.
    Und jetzt saß sie in meinem Büro und hatte die Arme schützend vor der Brust verschränkt. Ich versuchte, mich zu erinnern, ob ich sie überhaupt schon mal mit langen Ärmeln gesehen hatte.
    »Zeigen Sie mir Ihre Arme«, sagte ich.
    Sie löste sie voneinander und faltete ihre Hände im Schoß. »Warum?«
    Wenn sie unter Druck gesetzt worden war, musste es Spuren geben. Nadelstiche, Druckstellen an ihren Handgelenken vom Seil oder vom Klebeband oder was immer es gewesen war. Ich wollte es sehen.
    »Zeigen Sie sie mir«, sagte ich.
    Es wäre ein Leichtes gewesen, um den Schreibtisch herumzugehen, ihr Handgelenk zu packen, den Ärmel hochzuschieben. Ich erwog, es zu tun. Nahm meinen Fuß von der Schublade. Bei der Bewegung zuckte Lucy zusammen, als hätte sie Angst vor mir, und da wusste ich, dass ich sie nicht zwingen würde, mir irgendetwas zu zeigen.
    Ich ging langsam zu ihr, und sie stand auf. Ich streckte meine Hand aus, und nach einem kurzen Zögern ergriff sie sie, und ihre warmen Finger schlossen sich um meine. Sie trat einen Schritt auf mich zu, und ich legte mein Kinn auf ihren Kopf.
    »Sie können es mir erzählen«, sagte ich, flüsterte ihr die Worte ins Haar. »Ich werde Sie beschützen.«
    Ein lächerliches Versprechen, wenn man bedachte, wie gut ich sie bislang schon beschützt hatte.
    Ihr Kopf bewegte sich von einer Seite zur anderen.
    »War es Beckett?«, fragte ich.
    Sie antwortete mir nicht. Wir sagten überhaupt nichts mehr, weder im Fahrstuhl noch in der Eingangshalle und auf der Straße. Ich öffnete die Tür des Kleinbusses für sie, und ihr Architekt nickte mir zu wie ein Gentleman. Ich schlug die Tür zu, trat zurück und sah dem Wagen nach, der das Ende des Blocks erreichte und dann um die Ecke bog.
    Der Saxofonist ging noch immer seiner Arbeit nach. Ich warf ihm ein paar Dollar in den offenen Kasten zu seinen Füßen. Ich erkannte die Melodie nicht, die er spielte, aber es war etwas Trauriges.

50
    Die Geschichte von Lucy Navarros Wiederauftauchen war blass und langweilig, und niemand verschwendete allzu viel Energie darauf, davon zu berichten. Der National Current brachte einen Absatz darüber auf seiner Website, in seiner Printausgabe dagegen überhaupt nichts. Das Boulevardblatt hätte es lieber gesehen, dass Lucy von einem durchgeknallten Fan ermordet worden war – einem jungen Mann aus Ohio, der ein Vampir sein wollte.
    Die Berichterstatter des Current machten ein bisschen mehr aus der Nachricht, dass Lark auf Callie Spencers Türschwelle gestorben war – aber selbst da hatte ich den Eindruck, dass sie nicht mit ganzem Herzen dabei waren. Die seriöse Presse berichtete nur zurückhaltend darüber. Die meisten kamen zu dem Schluss, dass das Ganze eigentlich nicht viel mit Callie Spencer zu tun hatte: Lark war eine verlorene Seele, er hätte sich auch an jeden anderen heften können. Die Experten in den Nachrichtensendungen stimmten alle darin überein, dass Callie eine unglückliche Situation mit großem Takt bewältigt hatte. Wenn mich irgendjemand gefragt hätte, hätte ich das Gleiche gesagt.
    Am Montagabend war die Nachricht von Larks Tod schon bedeutungslos geworden. Denn am Montagnachmittag hielt Senator John Casterbridge in einem Hörsaal der Universität eine Pressekonferenz ab, um bekannt zu geben, dass bei ihm eine Alzheimererkrankung festgestellt worden war.

    Ich sah den Beitrag auf CNN an. Der Senator trat gemeinsam mit seinem Sohn und mit Callie auf. Er hatte außerdem Ärzte des Universitätskrankenhauses von Michigan dabei, die eventuelle Fragen beantworten sollten. Er stand auf einem Podium und las eine Erklärung vor, in der er seinen Wählern für ihre Unterstützung in all den Jahren dankte. Er sprach von den Erfolgen der Vergangenheit, und von der strahlenden Zukunft, die er für den Bundesstaat sehe. Er versicherte, dass er sich ausgezeichnet fühle und

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