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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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Sommersprossen auf ihrer Nase abzudecken.
    Ihre hauchdünne Bluse ließ ihre Arme unbedeckt. An ihren Handgelenken waren keinerlei Spuren zu sehen. Da waren nie welche gewesen.
    Sie grinste wieder, öffnete ihre Finger und ließ die Kugel auf den Tisch rollen.
    »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte sie.
    »Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und mir. In jener Nacht in dem Hotel in Sault Sainte Marie, als Sie mir erzählten, Sie hätten eine Kugel vor meiner Tür gefunden und eine andere vor Ihrer Tür, da habe ich Ihnen geglaubt. Es war clever. Es hat uns auf die gleiche Seite verschlagen, wir zwei, verbündet gegen lauter unbekannte Mächte. Es hat mich dazu gebracht, auf Sie aufzupassen.«
    Ihr Grinsen verschwand. »Sie können mir das nicht vorwerfen, Loogan. Ich kannte Sie ja gar nicht.«
    »Nein. Sie haben bloß herumgetastet. Alles Mögliche ausprobiert, um zu sehen, ob es funktioniert. Wie haben Sie es noch ausgedrückt? Sie haben versucht, mich als Quelle zu nutzen.«
    »Loogan –«
    »Ich glaube nicht, dass ich Ihnen als Quelle besonders nützlich war. Aber Sie haben mich benutzt.«
    »Das klingt bei Ihnen jetzt schlimmer, als es in Wirklichkeit war. Ich habe das so nicht geplant.«
    »Nein. Sie sind einfach drüber gefallen. Sie haben sich ziemlich gut geschlagen, für jemanden ohne Plan.« Ich griff nach einem Stapel Seiten vom Tisch und überflog ein paar Zeilen. »Das liest sich aber nicht wie ein Vampirroman«, sagte ich.
    Ihr Stimme wurde sanft. »Es tut mir leid, dass ich Sie angelogen habe, Loogan. Sie müssen das Ganze mal von meinem Standpunkt aus sehen.« Sie wischte ein Staubkorn von der Laptop-Tastatur weg. Sie wollte mir nicht in die Augen sehen.
    »Dann lassen Sie mal hören«, sagte ich.
    »Was hören?«
    »Ihren Standpunkt. Ich würde ihn gern erfahren.«
    Sie sah an mir vorbei, und ich drehte mich um und folgte ihrem Blick. Unten am Strand hatte Elizabeth ihre Schuhe ausgezogen. Sie watete in das seichte Wasser hinein.
    »Das hier hat nichts mit der Polizei zu tun«, sagte ich und drehte mich wieder zu Lucy um. »Es ist eine Sache zwischen Ihnen und mir.«
    Lucy dachte darüber nach und wischte noch einmal mit den Fingern über die Tastatur.
    »Wessen Idee war es denn?«, sagte ich, um sie zum Sprechen zu bringen. »Ihre oder die des Senators?«
    Sie erhob sich und ging auf der Veranda hin und her. »Er kam zu mir. Urplötzlich tauchte er auf dem Parkplatz vor dem Hotel auf und bat mich, eine Runde mit ihm zu fahren. Er wollte reden. Wie hätte ich das ablehnen können?«
    »Das könnte kein Reporter ablehnen«, sagte ich. »Aber warum haben Sie Ihr Auto mit laufendem Motor auf dem Parkplatz zurückgelassen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich war durcheinander. Es ist ein Wunder, dass ich daran gedacht habe, meine Handtasche mitzunehmen.«
    Sie erzählte mir, der Senator sei mit ihr kreuz und quer durch die Straßen gefahren. »Er wusste von meiner Story«, sagte sie. »Wusste, dass ich Nachforschungen in Sachen Great Lakes Bank anstelle. Er sagte mir, ich sollte in größeren Dimensionen denken. Vielleicht würde ich ja wirklich auf etwas stoßen, das peinlich für Callie wäre, ihre Wahl sogar verhindern könnte. Aber er fand, das sei unter meiner Würde. ›Wenn Sie Skandale wollen‹, sagte er, ›kann ich Ihnen Skandale liefern.‹«
    Und er hatte sein Wort gehalten. Der Beweis dafür lag auf dem Tisch vor uns ausgebreitet. Stapelweise ausgedruckte Seiten – Rechercheunterlagen, Notizen, erste Entwürfe. Das Kapitel, das ich gerade angeschaut hatte, lautete »Der Irak-Krieg – Das Versagen des Geheimdienstes«.
    John Casterbridge, der fünf Legislaturperioden als Kongressabgeordneter und weitere fünf als Senator tätig gewesen war, hatte ihr Einblicke in die großen Skandale der vergangenen vierzig Jahre vermittelt, von Watergate bis hin zu den Massenvernichtungswaffen.
    »Er hat mir ein exklusives Angebot gemacht«, sagte Lucy. »Zugang zu allen Informationen, die ich brauchte. Der Plan sah vor, gemeinsam irgendwo hinzufahren und mit der Arbeit anzufangen. Aber als wir wieder zum Hotel fuhren, sahen wir Polizei. Wir fuhren weiter.«
    »War das Ihre Entscheidung oder seine?«, fragte ich.
    »Unser beider Entscheidung. Sie müssen verstehen, ich wusste nicht, dass Sie angeschossen worden waren. Und der Senator wollte nicht von der Polizei gesehen werden. Er wollte nichts erklären müssen. Seine Familie, Alan Beckett – keiner von ihnen wusste, dass er mit mir sprechen wollte.

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