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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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hat?«
    Delacorte sah Elizabeth gequält an. »Wenn Sie herumfragen, werden Sie alles mögliche über weitere Schüsse zu hören bekommen. Manche Leute haben einfach die Knallkörper gehört und mochten es, die Sache anzuheizen. Es gibt Gerüchte, dass Rhiner sein ganzes Magazin auf Dawtrey abgefeuert hat. Ich kann Ihnen nur sagen, dass dort auf dem Friedhof lediglich ein Schuss abgefeuert wurde.«
    »Dann hat also auch keiner Ihrer Deputys einen zweiten Schuss gehört?«, sagte Elizabeth. »Es hat sich vielleicht wie ein Echo angehört.« Sie deutete auf das Manuskript. »Der Geschichte zufolge hat der Mann mit dem Gewehr den Abzug genau in dem Moment gedrückt, als er Rhiners Schuss gehört hat.«
    »Der Friedhof ist an drei Seiten von Hügeln umgeben. Gut möglich, dort ein Echo zu hören.« Delacorte schlug mehrfach mit der flachen Hand leise auf den Tisch – ein Zeichen dafür, dass er die Sache allmählich zu Ende bringen wollte. »Wir können das Ganze noch einmal durchkauen, aber ich muss mich um meine Arbeit kümmern, und Sie haben bestimmt auch Besseres zu tun.«
    Er griff nach seinem Portemonnaie und zog einige Scheine heraus. Ich tat es ihm nach. Die Kellnerin hatte die Rechnung genau in die Mitte zwischen uns gelegt.
    »Solange Sie hier sind«, sagte Delacorte, »müssen Sie unbedingt die Soo Locks besichtigen. Die meist genutzte Schleusenanlage der Welt: Jedes Jahr passieren hier um die zehntausend Schiffe. Und wenn Sie die Möglichkeit haben, auf die kanadische Seite rüberzufahren, dann empfehle ich Ihnen eine Zugfahrt durch den Agawa Canyon. Die Aussicht ist unschlagbar.«
    Er schlüpfte aus der Sitzecke und stand auf.
    »Und was die andere Sache anbelangt, es ist so, wie ich sagte. Es gibt keinen Zweifel an dem, was mit Terry Dawtrey passiert ist. Er hat versucht wegzulaufen und wurde erschossen. Den Mann auf dem Hügel mit seinem Gewehr – den brauche ich nicht. Ich verstehe auch so, was passiert ist. Manchmal ist die einfachste Erklärung auch die wahre. Da war kein Mann auf dem Hügel.«

11
    Draußen vor dem Imbiss schob sich Walter Delacorte die Sonnenbrille auf die Nase und begleitete uns zurück zu unserem Wagen. Das Letzte, was wir von ihm sahen, war, wie er die Court Street entlangschlenderte. »Rod Steiger«, sagte Elizabeth nur, sobald wir wieder im Wagen saßen.
    Ich brauchte einen Moment, aber dann verstand ich. » In der Hitze der Nacht. «
    »An den hat mich Delacorte erinnert. An Rod Steiger. Er spielt den Polizeichef, nur charmanter und dafür weniger bieder.«
    Sie ließ den Motor an und fädelte sich in den Verkehr ein.
    »Mich erinnert er an Wilhelm von Ockham«, sagte ich.
    »Wer ist das noch?«
    »Ein englischer Philosoph. Aus dem Mittelalter.«
    Sie überlegte einen Augenblick. »Ockhams Skalpell, oder?«, sagte sie dann.
    Ich nickte. »Ockhams Skalpell. Entitäten dürfen nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. Wenn man also die Ereignisse ohne einen Mann mit Gewehr auf dem Hügel erklären kann –«
    » – dann gab es da keinen Mann mit Gewehr.«
    »Genau. Sheriff Delacorte hat gerade eine Vorlesung über Metaphysik gehalten.«
    »Dann war unsere Fahrt nach Sault Sainte Marie ja doch nicht völlig umsonst, meine ich.«
    »Und es bleibt uns außerdem noch Zeit, die Schleusen zu besichtigen.«
    Sie ließ das Fenster an der Fahrerseite herunter, und der Wind verfing sich in ihrem Haar.
    »Ich enttäusche dich wirklich nicht gern, David. Aber ich glaube nicht, dass wir es noch zu den Schleusen schaffen.«
    Die nächsten eineinhalb Stunden verbrachten wir damit, uns die Sehenswürdigkeiten von Sault Sainte Marie anzuschauen. Unser erster Halt: die Kanzlei von Arthur Sutherland, Kyle Scudders Anwalt. Elizabeth gab Sutherland die Skizze vom Mann im karierten Hemd und eine Kopie des Manuskripts, das Charlie Dawtreys Tod beschrieb. Und obwohl er sie fünf- oder sechsmal unterbrach, weil sein Telefon klingelte und er jedes Mal abhob, hatte sie ihn am Ende davon überzeugt, dass er womöglich tatsächlich einen unschuldigen Klienten vertrat.
    Als Nächstes fuhren wir zu Deputy Rhiner, der ein ordentliches kleines Häuschen bewohnte. Im Vorgarten gab es ein Vogelbad aus Granit, und in der Auffahrt parkte ein Buick unter einem Walnussbaum. Auf unser Klopfen reagierte niemand. Elizabeth hinterließ ihre Visitenkarte im Briefkasten neben der Haustür.
    Wir hatten ungefähr das gleiche Glück bei Deputy Tillman, der am Stadtrand wohnte, schon jenseits der Bahngleise. Als wir

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