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Bell ist der Nächste

Bell ist der Nächste

Titel: Bell ist der Nächste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Dolan
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du nicht weißt, wie du dich verhalten sollst.«
    Sie setzte sich langsam auf, stützte ihre Hände auf den Badewannenrand, zog die Füße an und erhob sich – in einer Bewegung wie aus einem Guss. Ich stand gleichzeitig auf und bewunderte sie im Kerzenlicht, und obwohl ich ihr fest in die Augen sah, nahm ich das Wasser und den Schaum wahr, der zwischen ihren Brüsten, über ihren Bauch und über ihre Schenkel floss. Ich strich mit meinen Fingern über ihr Schlüsselbein, bis ich zur Kuhle unter ihrer Kehle kam.
    »Du hättest es mir erzählen können«, sagte ich. »Es hätte überhaupt keinen Unterschied gemacht. Ich wusste ohnehin, dass du eine exotische Kreatur bist.«
    Ich lag im Dunkeln unter der dünnen Decke. Elizabeth neben mir schlief, ihre Haare waren über unsere beiden Kopfkissen gebreitet. Ich schlüpfte aus dem Bett und tapste vorsichtig ins Badezimmer, schloss die Tür hinter mir, ließ Wasser ins Waschbecken einlaufen und trank aus der hohlen Hand. Dann kehrte ich ins Zimmer zurück.
    Ich nahm den Zimmerschlüssel und schlich mich hinaus auf den Flur. Der Teppich unter meinen Socken fühlte sich rau an. Ein leises Summen führte mich zu einer Nische, in der eine Eismaschine und ein Getränke- und Snackautomat standen. Es gab nichts nach meinem Geschmack. Ich wollte Obst. Eine Apfelsine wäre perfekt.
    Ich ging ins Erdgeschoss hinunter und durch die Lobby in den Speisesaal. Im Fernseher, der an die Wand geschraubt worden war, lief eine Nachrichtensendung, der Ton war leiser gestellt. Auf dem langen Büffettresen standen eine einsame Kanne Kaffee, ein Wasserkrug und eine Schüssel mit Äpfeln.
    »Mr Loogan«, sagte eine Stimme.
    Lucy Navarro trug noch immer die Leinenbluse, die sie schon zuvor angehabt hatte. Sie ging ihr bis zu den Oberschenkeln, die nackt waren. So unauffällig wie möglich spähte ich hin, um sicherzugehen, dass sie darunter ein kurzes Sporthöschen trug.
    »Ich sehe, es ist Ihnen gelungen, alle Kiefernnadeln aus Ihrem Haar zu zupfen«, sagte sie.
    Ich griff nach einem Apfel. »Ich wusste nicht, dass Sie auch hier abgestiegen sind.«
    »Es ist das einzige Hotel, das sich für meine Zwecke eignet. Würden Sie mir etwas Wasser eingießen, bitte?«
    Ich füllte zwei Styroporbecher mit Wasser und trug sie zu einem der Tische. Sie setzte sich mit dem Rücken zum Fernseher mir gegenüber.
    »Haben Sie mit Paul Rhiner gesprochen?«, fragte sie.
    Ich nahm einen Bissen von meinem Apfel und schüttelte den Kopf.
    »Mit mir wollte er auch nicht reden. Und Sam Tillmans Frau knallte mir die Tür vor der Nase zu, bevor ich noch einen Satz zu Ende sprechen konnte. Was glauben Sie, haben die zu verbergen?«
    Ich starrte auf den Apfel und schwieg.
    Sie fuhr unbeirrt fort. »Aus Madelyn Turner habe ich auch nichts herausgekriegt. Anscheinend hat ihr jemand erzählt, dass ich für ein billiges Boulevardblättchen arbeite.«
    »Hah.«
    »Natürlich hat sie mich auch nicht zu ihrem Jungen gelassen. Sie dagegen waren eine ganze Weile mit ihm draußen im Garten. Worüber haben Sie gesprochen?«
    »Über Baseball.«
    Manchmal liegt in den Augen intelligenter Menschen ein Ausdruck, der besagt, dass sie wissen, angelogen zu werden. Gleichzeitig scheint es ihnen wenig auszumachen, weil sie gar nicht erwartet haben, die Wahrheit zu hören. Lucy Navarro hatte genau diesen Ausdruck in den Augen.
    »Ich glaube nicht, dass Sie über Baseball gesprochen haben«, sagte sie.
    »Aber das ist es, worüber Fünfzehnjährige sprechen, oder?«
    »Vielleicht vor zwanzig Jahren. Heute wären es Videospiele. Übrigens haben Sie mich noch gar nicht gefragt, welches meine Zwecke sind.«
    »Wie bitte?«
    »Ich sagte Ihnen doch, dass dieses Hotel das einzige ist, das sich für meine Zwecke eignet.«
    Ich legte den Apfel auf den Tisch. »Welches sind denn Ihre Zwecke, Lucy?«
    »Ich versuche, Sie als Quelle zu nutzen. Wie mache ich mich denn Ihrer Meinung nach?«
    Sie biss sich wie ein naives Mädchen auf die Lippen. Ihr braunes Haar mit den blonden Strähnchen fiel ihr ins Gesicht. Sie sah jung aus. Mir fiel wieder ein, wie sie vor Nick Dawtreys Haus gelacht hatte, als der kleine Streuner um sie herumgetänzelt war. Die Energie, die Freude in diesem unbeobachteten Moment hatte etwas Anziehendes gehabt. Die gleiche Energie strahlte sie auch jetzt aus, aber sie war gebändigt, unter Kontrolle. Sie war jetzt ernst.
    »Wo kommen Sie her – aus Kalifornien?«, erkundigte ich mich.
    »L. A.«, sagte sie. »Woher wussten Sie

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