Bell ist der Nächste
ließ Nick die Reifenschaukel los, und sie schwang wie ein Pendel hin und her.
»Sind Sie Polizist?«, fragte er.
Ich hatte ihn bis dahin für schüchtern gehalten. Jetzt aber wirkte er ganz selbstsicher.
»Ich bin Redakteur«, sagte ich.
»Ist Ihre Frau Polizistin?« Er meinte Elizabeth. Ich sah keinen Grund, ihn zu korrigieren.
»Ja.«
»Ist sie von hier?«
»Aus Ann Arbor.«
»Ich meine ursprünglich. Ist sie eine Ojibwa?«
Ich war mir nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte. »Chippewa?«
»Ojibwa. Nur die Weißen sagen Chippewa.«
»Ich weiß nicht, ob sie eine Ojibwa ist.«
Damit handelte ich mir einen enttäuschten Blick ein. »Sie sollten es herausfinden, Mann.«
»Wahrscheinlich«, sagte ich und schwieg dann. »Es tut mir sehr leid, was mit deinem Vater passiert ist«, sagte ich schließlich.
Er verzog das Gesicht. »Das sagt jeder. Was wissen Sie denn schon?«
»Na ja, ich weiß, dass er ermordet worden ist.«
»Sie denken ’scheinlich, dass es Kyle gewesen ist.«
Jetzt hörte er sich zum ersten Mal wie ein Fünfzehnjähriger an.
»Ehrlich, das denke ich nicht.«
»Und Ihre Frau?«
»Sie auch nicht«, sagte ich. »Sie will herausfinden, was wirklich passiert ist.«
Er lachte. Ein wissendes, bitteres Lachen. »Nein«, sagte er. »Will sie nicht.«
»Was soll denn das jetzt wieder heißen?«
»Sie ist Polizistin. Und Polizisten decken sich gegenseitig.«
Die Reifenschaukel drehte sich langsam in der Luft.
»Du glaubst, die Polizisten haben deinen Vater umgebracht?«
»Ja, klar. Warum schauen Sie so, Mann?«
»Ich glaube nicht, dass Polizisten im Allgemeinen herumlaufen und Leute ermorden.«
»Das sagen auch nur Weiße.« Seine Stimme klang scharf.
»Du hast Sommersprossen«, sagte ich.
Das verwirrte ihn.
»Na und?«, sagte er.
»Na, dann bist du so weiß wie ich. Du kannst das Indianergerede mal ein bisschen niedriger hängen. Warum sollten die Polizisten deinen Vater umbringen?«
»Schalten Sie doch Ihr Hirn ein. Die Polizisten töten ihn. Terry kommt zur Beerdigung. Sie töten Terry.«
»Terry hat versucht zu fliehen.«
Ein Achselzucken. »Wenn er das nicht getan hätte, hätten sie eine andere Ausrede gefunden.«
»Du glaubst, sie haben die ganze Zeit geplant, ihn zu töten?«
Er sah mich an, als hätte ich ihn schon wieder enttäuscht.
»Terry hat auf einen Polizisten geschossen«, sagte er. »Der sitzt jetzt im Rollstuhl.«
»Das ist siebzehn Jahre her.«
»Sie glauben, die anderen Polizisten vergessen so etwas?« Wieder die Schärfe in seiner Stimme. »Haben Sie mal den Sheriff getroffen – Delacorte?«
»Ich habe ihn getroffen.«
»Glauben Sie, es tut ihm leid, dass Terry weggelaufen ist? Glauben Sie, der setzt alles daran, herauszufinden, wie das passiert ist? Möchten Sie ein paar Rosen, Mann?«
Jetzt war ich verwirrt. »Was?«
Nick zeigte auf ein paar Rosenbüsche gleich neben der Terrasse. Ich war an ihnen vorbeigegangen, ohne sie zu bemerken.
»Ich werde Ihnen ein paar Rosen abschneiden«, sagte er. »Sie können sie ja Ihrer Frau geben. Wenn Sie etwas Farn dazu haben wollen, kann ich Ihnen den auch besorgen.« Er zeigte auf ein kleines Wäldchen. »Er wächst dort drüben.«
Ich dachte an Terry Dawtrey und den Schlüssel für die Handschellen, den jemand auf dem Rasen im Friedhof deponiert hatte. Mit einer Vase voller Rosen, um die Stelle zu markieren.
»Ist der Sheriff hier gewesen, um mit dir und deiner Mutter zu reden?«
»Na klar.«
»Hast du ihm auch Rosen angeboten?«
Nick Dawtrey grinste. »Für einen Weißen kapieren Sie aber schnell. Ich hab ihm welche angeboten. Er wollte keine. Ich erzähl Ihnen noch etwas, ich bin letzte Woche mit meinem Fahrrad nach Sault Sainte Marie gefahren. Der Sheriff ist in der Court Street. Ich bin eine Stunde lang um den Block geradelt, x-mal.«
Ich verstand, was er meinte, als ich sein Fahrrad sah, das an der Hauswand lehnte. Zwei gelbe Stoffstreifen baumelten wie Wimpel am Lenker. Wie der Stoffstreifen, den jemand auf dem Friedhof an den Zaun gebunden hatte.
»Und ich weiß, dass er mich gesehen hat«, fügte er hinzu, »weil er herausgekommen ist. Ich habe alles getan, nur ein Geständnis habe ich ihm nicht serviert. Er will es gar nicht wissen. Er ist sehr zufrieden damit, wie alles gelaufen ist.«
13
»Wo hast du denn die Vase her?«, fragte Elizabeth.
Sie räkelte sich in der Badewanne in unserem Hotelzimmer. Weiße Schaumwolken trieben auf der Wasseroberfläche. Ein Trio von Kerzen auf
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