Bell ist der Nächste
Ermittlungsabteilung.
»Shan hier.«
»Carter, du arbeitest aber lange.« Elizabeth, die die Lamellen auseinanderschob, entdeckte den Wagen etwas weiter unten an der Straße, an einer dunklen Stelle zwischen zwei Straßenlaternen.
»Papierkram«, erklärte Carter.
»Kannst du mal eine Autonummer für mich überprüfen?«
»Klar.«
Sie gab ihm die Nummer. Hörte, wie er die Tastatur bediente.
»Worum geht’s?«
»Nenne es meinetwegen Neugierde. Der Wagen steht an meiner Straße.«
»Hm. Vielleicht sollte ich vorbeikommen.«
»Wer ist es, Carter?«
Sie hörte das Quietschen seines Bürostuhls, als er sich zurücklehnte.
»Der Wagen ist auf Jay Casterbridge zugelassen«, sagte er.
Callie Spencers Ehemann. Elizabeth sah, wie sich die Autotüren öffneten. Zwei Gestalten stiegen aus.
»Ein Wort, Elizabeth«, sagte Shan, »und ich bin auf dem Weg.«
Elizabeth sah, wie Jay Casterbridge ins Licht der Straßenlaterne trat. Neben ihn trat eine Frau. Es war nicht Callie Spencer.
»Nein. Ich will sehen, was er will, Carter. Ich rufe dich an, wenn ich dich brauche.«
Ruhelos wanderte Jay Casterbridge in der Küche umher, ungebärdig wie ein Pony in einem unvertrauten Stall. Sein Schlips war gelöst, und sein Hemdkragen lag auf der einen Seite über dem Revers seines Jacketts.
»Callie weiß nicht, dass ich hier bin«, sagte er.
»Ach?«, sagte Elizabeth.
Sie hatte die Lichter im Erdgeschoss angemacht. Die Neonlampe in der Küche ließ Casterbridge blinzeln. Seine Begleiterin wirkte gelassener. Sie war groß und schlank und hatte ein feines Gesicht. Blondes Haar mit dunklem Ansatz. Sie trug eine dunkelblaue Hose und einen dazu passenden Blazer. Die weiße Bluse, die sie darunter trug, war am Kragen aufgeknöpft und zeigte sommersprossige Haut im Ausschnitt. Casterbridge hatte sie als seine Partnerin in der Kanzlei, Julia Trent, vorgestellt.
»Jay meint«, sagte sie, »dass es für uns wünschenswert wäre, wenn dieses Gespräch absolut vertraulich behandelt würde.«
»Natürlich«, sagte Elizabeth.
Julia Trent lehnte sich gegen den Küchentresen. »Vor ein paar Minuten haben wir eine junge Frau aus Ihrem Haus kommen sehen. War das Ihre Tochter?«
Elizabeth nickte. »Sie ist nach oben gegangen. Sie wird nicht mithören.«
Jay Casterbridge stand jetzt mit verschränkten Armen vor dem Kühlschrank.
»Sie hatten neulich Abend eine gute Idee«, sagte er. »Wegen der Ordner.«
Er zupfte an seinem Jackettärmel herum. Elizabeth sagte nichts.
»Wenn Sie jemanden finden würden«, sagte er, »müsste das doch niemand wissen, oder? Ich meine, niemand müsste erfahren, wie man ihn gefunden hat.«
»Alles, was ich brauche, ist ein Name«, sagte Elizabeth. »Wenn ich den erst einmal habe, kann ich mir den Hintergrund der Person anschauen, entscheiden, ob sie ein brauchbarer Verdächtiger ist.«
»Und es müsste auch nicht bis zu Callie durchdringen. Das wäre sehr wichtig.«
»Es gibt keinen Grund, warum es zu Callie durchdringen sollte. Wollen Sie damit andeuten, dass sie bereit ist, mir ihre ganzen Akten zu zeigen?«
Casterbridge verzog das Gesicht. »Himmel, nein. Sie ist absolut dagegen.«
Elizabeth berührte die Glasperlen ihrer Halskette. »Wollen Sie mir anbieten, ihre Akten einzusehen, ohne dass sie davon weiß?«
Er tauschte Blicke mit Julia Trent.
»Callie ist seit drei Tagen hier in Ann Arbor«, sagte er vorsichtig. »Ich bin in Lansing. Ihr zentrales Büro ist dort. Alle Akten und Ordner.«
»Sie haben etwas gefunden«, sagte Elizabeth.
Er nickte. »Einen typischen Wählerbrief. Er hat ihr zu einem bestimmten Thema geschrieben – Gewalt gegen Frauen. Das ergibt einen Sinn, oder? Wenn er meint, er bewahrt Callie vor jeglichem Schaden, wenn er die Bankräuber von Great Lakes angreift, weil sie in seiner Vorstellung eine Gefahr für sie darstellen –«
»Ja, das ergibt einen Sinn.«
»Also, Callie bekommt einen ganze Haufen Briefe zum Thema Gewalt gegen Frauen«, sagte Jay Casterbridge. »Ich hätte diesen hier ignoriert, wenn auf ihn nicht genau das Muster gepasst hätte, das Sie beschrieben haben. Er ergeht sich über drei Seiten ohne ein einziges Adverb. Der Mann, der ihn geschrieben hat, redet über eine Freundin, die von ihrem Ehemann geschlagen worden ist. Er hat sie wieder und wieder attackiert – ›auf sie eingeschlagen, wie es ein Wilder tun würde‹. Das ist die Formulierung, bei der ich stutzig wurde. Der Verfasser schreibt nicht ›wild auf sie eingeschlagen‹. Es gibt
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