Bella und Edward, Band 4: Biss zum Ende der Nacht
nichts geahnt hatte. Als wir vorbeikamen, verstummten sie alle, ihr Atem beschleunigte sich vor Angst. Die Tiere reagierten sehr viel klüger auf unseren Geruch als die Menschen. Auf mich hatte er jedenfalls die gegenteilige Wirkung gehabt.
Ich wartete darauf, dass ich erschöpft wurde, aber mein Atem ging immer noch regelmäÃig. Ich wartete darauf, dass mir die Muskeln wehtaten, doch als ich mich einmal an meine groÃen Schritte gewöhnt hatte, schien meine Kraft sogar noch anzuwachsen. Immer länger wurden meine hüpfenden Sprünge, und schon bald musste Edward sich anstrengen, mit mir Schritt zu halten. Ich lachte wieder, begeistert, als ich hörte, wie er zurückfiel. Jetzt berührten meine nackten FüÃe den Boden nur noch so selten, dass es sich eher wie Fliegen anfühlte als wie Rennen.
»Bella«, rief er mit gleichförmiger Stimme. Mehr hörte ich nicht; er war stehen geblieben.
Ganz kurz erwog ich, mich taub zu stellen.
Doch mit einem Seufzen wirbelte ich herum und sprang leichtfüÃig neben ihn, ein paar hundert Meter zurück. Ich schaute ihn erwartungsvoll an. Er lächelte, eine Augenbraue hochgezogen. Er war so schön, dass ich ihn nur ansehen konnte.
»Hattest du vor, im Land zu bleiben?«, fragte er belustigt. »Oder wolltest du heute Nachmittag noch bis nach Kanada?«
»Hier ist es gut«, sagte ich und konzentrierte mich weniger auf das, was er sagte, als auf die faszinierende Art, wie er beim Sprechen die Lippen bewegte. Es war schwer, sich nicht ablenken zu lassen, alles war so frisch für meine starken neuen Augen. »Was jagen wir?«
»Wapiti, ich dachte mir, etwas Einfaches für den Anfang â¦Â« Er verstummte, als meine Augen bei den Worten »etwas Einfaches« schmal wurden.
Aber ich wollte nicht streiten, dafür hatte ich zu groÃen Durst. Sobald ich an das trockene Brennen in meiner Kehle dachte, konnte ich an nichts anderes mehr denken. Es wurde eindeutig schlimmer. Mein Mund fühlte sich an wie an einem Juninachmittag im Death Valley.
»Wo?«, fragte ich und suchte ungeduldig die Bäume ab. Jetzt, da ich dem Durst Beachtung schenkte, schien er jeden anderen Gedanken in meinem Kopf zu vergiften, er sickerte in die angenehmeren Gedanken wie Rennen und Edwards Lippen und Küssen und ⦠brennender Durst. Ich kam nicht davon los.
»Sei mal einen Augenblick ganz still«, sagte er und legte mir leicht die Hände auf die Schultern. Bei seiner Berührung wurde mein Durst sofort weniger drängend.
»Jetzt schlieÃe die Augen«, sagte er leise. Als ich gehorchte, hob er die Hände zu meinem Gesicht, strich mir über die Wangenknochen. Ich merkte, wie mein Atem schneller ging, und wartete einen kurzen Moment wieder auf die Röte, die nicht kam.
»Horche«, sagte Edward. »Was hörst du?«
Alles, hätte ich sagen können; seine vollkommene Stimme, seinen Atem, seine Lippen, die einander berührten, während er sprach, das Flüstern der Vögel, die in den Baumwipfeln ihre Federn putzten, ihren flatternden Herzschlag, die Ahornblätter, die aneinanderraschelten, das leise Knacken der Ameisen, die in einer langen Reihe hintereinander die Rinde des nächsten Baumes emporkrabbelten. Doch ich wusste, dass er etwas Bestimmtes meinte, also richtete ich die Ohren auf weiter Entferntes, suchte etwas anderes als das kleine Gesumm von Leben um mich herum. Ganz in der Nähe gab es eine Lichtung â über dem offenen Gras klang der Wind anders â und einen kleinen Bach mit steinigem Flussbett. Und dort, nah bei dem Geräusch des Wassers, war das Spritzen schleckender Zungen zu hören, das laute Hämmern schwerer Herzen, die dicke Blutströme pumpten â¦
Meine Kehle fühlte sich an den Seiten an wie zugeschnürt.
»Am Bach, im Nordosten?«, fragte ich, die Augen noch immer geschlossen.
»Ja«, sagte er anerkennend. »Jetzt ⦠warte auf die nächste Brise ⦠was riechst du?«
Vor allem ihn â seinen seltsamen Honig-Flieder-Sonnenduft. Und auÃerdem den satten, erdigen Geruch von Fäulnis und Moos, vom Harz der Nadelbäume, das warme, fast nussige Aroma der kleinen Nagetiere, die unter den Baumwurzeln kauerten. Aber als ich meine Sinne weiter ausstreckte, roch ich sauberes Wasser, das mich trotz meines Dursts erstaunlicherweise gar nicht reizte. Ich konzentrierte mich auf das Wasser
Weitere Kostenlose Bücher