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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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Patientenakten vom Grady zur Durchsicht, dann können wir -»
    Sara zog das Stromkabel aus dem Gerät und unterbrach dadurch Jeffrey mitten im Satz. Sie wandte sich wieder an Jeb und hoffte, dass ihrem Lächeln anzusehen war, wie Leid ihr die Störung tat. «Entschuldigung», sagte sie.
    «Stimmt etwas nicht?», fragte er. «Hast du nicht mal im Grady gearbeitet?»
    «In einem früheren Leben», antwortete sie und nahm den Telefonhörer von der Gabel. Sie horchte auf das Freizeichen und
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    legte den Hörer auf den Tisch.
    «Oh», sagte Jeb.
    Sie schmunzelte über den verwirrten Blick, mit dem er sie ansah, und kämpfte gegen den Drang auszuspucken. Der Geschmack war scheußlich. Sie ging zum Küchentresen und machte sich daran, die Einkaufstüten auszupacken. «Ich hab im Feinkostgeschäft Aufschnitt gekauft», sagte sie. «Roastbeef, Huhn, Pute, Kartoffelsalat.» Sie hielt inne, weil er sie eigenartig ansah. «Was?»
    Er schüttelte den Kopf. «Wie schön du bist.»
    Sara merkte, dass sie bei dem Kompliment rot wurde.
    «Danke», brachte sie heraus. Sie packte ein Brot aus. «Möchtest du Mayonnaise?»
    Er nickte und lächelte noch immer. Er sah sie beinahe anbetend an, und das war ihr unbehaglich.
    «Mach doch mal Musik», schlug sie vor, um die Situation aufzulockern. Nach ihren Anweisungen widmete er sich der Stereoanlage. Sara bereitete die Sandwiches, während er mit dem Zeigefinger an ihrer CD-Sammlung entlangfuhr.
    Er sagte: «Wir haben denselben Musikgeschmack.»
    Sara unterdrückte ein ‹toll›, als sie Teller aus dem Küchenschrank nahm. Sie halbierte die Sandwiches, als die Musik anfing. Sie kam von einer alten Robert-Palmer-CD, die sie schon seit Jahren nicht mehr gehört hatte.
    «Klasse Anlage», sagte Jeb. «Ist das Surround-Sound?»
    «Ja», antwortete Sara. Die Lautsprecher hatte Jeffrey installiert, damit man im ganzen Haus Musik hören konnte.
    Sogar im Bad gab es einen Lautsprecher. Manchmal hatte sie spätabends noch gebadet, mit Kerzen rund um die Wanne und sanfter Musik.
    «Sara?»
    «Entschuldige», sagte sie, als sie merkte, dass sie in
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    Gedanken versunken war.
    Sara stellte die Teller einander gegenüber auf den
    Küchentisch und wartete darauf, dass Jeb zum Tisch kam. Dann setzte sie sich auf ein angewinkeltes Bein. «Das hab ich schon lange nicht mehr gehört.»
    «Ist auch ziemlich alt», sagte er und biss von seinem Sandwich ab. «Meine Schwester hat sich den Song immerzu angehört.» Er lächelte. «Sneakin' Sally Through the Alley. So hieß sie, Sally.»
    Sara leckte Mayonnaise von ihrem Finger. Sie hoffte, dass deren Geschmack den des Weins überdecken würde. «Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hast.»
    Er setzte sich auf und zog seine Geldtasche aus der Hose. «Sie ist vor einer Weile gestorben», sagte er und ging die Bilder durch, die vorne steckten. Aus einer der Plastikhüllen zog er ein Foto heraus und hielt es Sara hin. «So geht's eben manchmal.»
    Sara empfand das als etwas sonderbaren Kommentar zum Tod seiner Schwester. Sie nahm jedoch das Foto, das ein junges Mädchen im Cheerleader-Kostüm zeigte. Lächelnd hielt sie die Pompons nach links und rechts weggestreckt. Das Mädchen sah genau aus wie Jeb. «Sie war ja sehr hübsch», sagte Sara und gab ihm das Foto zurück. «Wie alt ist sie denn geworden?»
    «Gerade dreizehn», antwortete er und betrachtete einige Sekunden lang das Foto. Er schob es wieder in die Plastikhülle und steckte die Geldtasche dann wieder in seine hintere Hosentasche. «Sie war ein Nachkömmling. Ich war schon fünfzehn, als sie geboren wurde. Mein Vater hatte gerade seine erste Pfarrstelle bekommen.»
    «Er war Pfarrer?», fragte Sara und wunderte sich, dass sie das nicht gewusst hatte, obwohl sie mit Jeb ausgegangen war. Sie hätte schwören können, dass er ihr einmal erzählt hatte, sein Vater sei Elektriker.
    «Er war Baptistenprediger», stellte Jeb richtig. «Er war stark
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    und sicher in seinem Glauben, dass es in der Macht des Herrn liegt zu heilen, was den Menschen schmerzt. Ich bin froh, dass er seinen Glauben hatte, um den Verlust zu bewältigen, aber...»
    Er zuckte mit den Achseln. «Manche Dinge wird man einfach nicht los. Manche Dinge kann man nicht vergessen.»
    «Tut mir sehr Leid, dass du sie verloren hast», sagte Sara. Sie wusste genau, was er damit meinte, etwas nicht loszuwerden.
    Sie senkte den Blick auf ihr Sandwich. Es gehörte sich nicht, gerade jetzt davon abzubeißen. Ihr Magen knurrte,

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