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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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vorschlagen wollte, langsamer zu gehen, sah Lee ihn nur an und lächelte. In diesem Moment bemerkte Michael, dass der andere Mann in den gleichen Rhythmus gefallen war.
    »Du bist oft zu Fuß unterwegs, oder?«, fragte Michael.
    Lee nickte. »Ziemlich viel. Kommt darauf an, wie weit ich reise, oder wohin.« Plötzlich blieb er stehen und drückte sich die flache Hand auf die Stirn.
    »Hast du Kopfschmerzen?« Er hatte nicht bemerkt, dass Lee sich gestern maßlos betrunken hätte, aber Alkohol beeinflusste die Menschen unterschiedlich.
    »Irgendetwas geschieht«, murmelte Lee.
    Jetzt richtete Michael seine Aufmerksamkeit auf den Mann - und auf die Musik in dessen Inneren. Eine gute Melodie, zuverlässig und beständig. Erinnerte ihn an seinen Freund Nathan. Doch jetzt klangen schrille Akkorde mit, die letzte Nacht noch nicht da gewesen waren. Als würde Lee von dem Lied beeinflusst, das Ravens Hill ausmachte.
    »Vielleicht solltest du zu deiner kleinen Insel zurückkehren.«
    Lee ließ die Hand sinken und schüttelte den Kopf. »Es geht mir gut.«
    Nein, das tut es nicht. Wenn etwas an Ravens Hill Lee solche Probleme bereitete, was könnte es dann Glorianna antun?
    »Es ist nicht mehr weit.« Wenn sie Glück hatten, würden sie Nathan erwischen, bevor der Arbeitstag begann. Wann immer er sich während eines Besuches zu Hause aufgewühlt fühlte, brachten ihn ein paar Stunden mit Nathan wieder zur Ruhe. Vielleicht würde das Gleiche auf Lee zutreffen.
    Beide verlängerten ihre Schritte, liefen ohne Pause weiter, bis der Hafen in Sichtweite kam. Dann blieb Michael so plötzlich stehen, dass Lee noch ein paar Schritte weiterging, bevor er erkannte, dass etwas nicht stimmte.
    »Das ist Kennedays Schiff«, sagte Michael und deutete nach vorn. »Ich bin mit ihm hochgefahren, bevor … das alles passiert ist. Er hätte schon längst Segel gesetzt haben sollen.« Es sei denn, das Schiff hatte keinen Kapitän mehr. Kenneday hatte in seiner Nähe gestanden, als die Bestie sich aus dem Wasser erhoben hatte. »Komm mit.«
    Sie rannten den Rest des Weges, so schnell, dass die Rucksäcke gegen ihre Schultern schlugen. Als sie sich dem Wasser näherten, wandte sich Michael einer Taverne zu, die bevorzugt von Kapitänen und Händlern besucht wurde, die ihre Geschäfte bei einem Krug Bier und einer Mahlzeit abwickeln wollten. Schon jetzt, obwohl die Sonne sich gerade erst über den Horizont geschoben hatte, war die Taverne geöffnet und voller Gäste. Und hier fanden sie auch Kapitän Kenneday, alleine an einem Tisch, aschfahl und um Jahre gealtert.
    Michael schritt auf ihn zu. Bei seinem Anblick schrie Kenneday auf und erhob sich so schnell, dass sein Stuhl nach hinten umfiel.
    »Ach Michael, bist du zurückgekehrt, um mich heimzusuchen? Ich schwöre bei allem, was mir teuer ist, es gab nichts, was ich hätte tun können, um dich zu retten. Als diese … Kreatur … verschwunden war, bin ich mit dem Boot hinausgefahren, um dich zu retten. Ich habe es wirklich versucht. Doch ich verstehe, wenn deine Seele das Verlangen verspürt, mich zu quälen.«
    Michael blickte zu Garvey, der hinter dem Tresen arbeitete - und aus dessen Gesicht alle Farbe gewichen war. »Können wir hier drüben eine Kanne starken Tee bekommen?« Er wartete auf ein Nicken, bevor er sich wieder an Kenneday wandte und seiner Stimme etwas Schärfe verlieh. »Ihr habt mir mehr als einmal gesagt,  dass ein Kapitän, der sich dem Alkohol hingibt, riskiert, sein Schiff zu verlieren. Und ich weiß, Ihr seid kein Mann von zu wenig Mut, also weiß ich auch, Ihr haltet Euer Schiff, Eure Mannschaft und Eure Ladung nicht im Hafen zurück, weil sich irgend eine Bestie aus der Tiefe erhoben hat.«
    Kennedays Hand ballte sich zur Faust. »Wenn du kein toter Mann wärst, würde ich dir für den Ton, den du hier anschlägst, ein blaues Auge verpassen.«
    »Hält er die Menschen immer für Geister oder kommt das nur vor, wenn er betrunken ist?«, fragte Lee.
    »Betrunken, ja?«, rief Kenneday. »Ich habe noch nicht so tief in die Flasche geschaut, dass man mich betrunken nennen könnte!«
    »Dann hört zu«, sagte Lee. »Wenn Ihr zuschlagt und Michael eine aufs Auge gebt, schlägt er zurück und schickt Euch zu Boden, und dann werde ich mit hineingezogen, weil solche Kämpfe nie nach zwei Schlägen vorüber sind, und es wird damit enden, dass wir versuchen, meiner und seiner Schwester zu erklären, wie wir wegen eines Kampfes, den wir nicht verschuldet haben, in der Wachstube

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