Belladonna
als Yoshani ihr von der Magie seines Volkes erzählt hatte, die darin steckte, das Glas der Sorgen zu benutzen, hatte er ihr einen weißen Stein angeboten - als Möglichkeit, ihr Herz zu reinigen und die Schmerzen der Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sie hatte sein Angebot abgelehnt, seine Güte abgelehnt, denn irgendwie hatte sie gewusst, sie würde diese Samenkörner des unvergessenen Schmerzes noch brauchen.
Für diesen Ort. Für diese Aufgabe.
Ja, sie würde ihr Leid brauchen.
Sie blickte zum Himmel, zum stärker werdenden Tageslicht.
Der Weltenfresser kam. Wenn Er in der Schule war, würde sie die letzte Tür verschließen, das letzte Tor versiegeln.
Dann gäbe es nur noch eines.
Die Kriegerin des Lichts muss vom Dunklen Becher trinken.
Halt sie noch ein wenig länger auf, Magier. Nur noch ein klein wenig. Danach wird es zu spät sein.
Teaser sah ihn zuerst.
Michael hatte einen Augenblick Zeit, dankbar zu sein, dass Lee nicht mit den zwei Inkuben bei Philo war. Das würde ihr ein wenig mehr Zeit verschaffen. Außerdem freute er sich nicht darauf, Gloriannas Bruder ins Gesicht zu sehen.
Dann drehte Sebastian sich um, und seine stechenden grünen Augen sahen Michael direkt an. Sahen in ihn hinein.
Er lief weiter auf den Innenhof zu. Sebastian entfernte sich von den Tischen und Stühlen und kam ihm auf der Kopfsteinpflasterstraße entgegen. Sie blieben gerade außer Reichweite voreinander stehen.
»Ein Versprechen und eine Bedrohung hast du mich genannt«, sagte Michael leise. »Um der Welt willen habe ich die Bedrohung wahr gemacht.«
»Was hast du getan?«, fragte Sebastian, seine Stimme rau vor beherrschtem, aber stärker werdendem Zorn.
»Eine Geschichte erzählt. Den Schlüssel zu einer verschlossenen Tür angeboten.«
»In deutlichen Worten, Magier.«
»Ich habe Glorianna gesagt, wie man den Weltenfresser aufhalten kann, und sie ist daraufhin in die Schule der Landschafferinnen gegangen.«
Kapitel 30
Sie konnten Lee nicht erreichen, der seine kleine Insel dazu genutzt hatte, die Insel im Nebel aufzusuchen, und Michael dankte der Herrin des Lichts für diesen Segen. Sie hatten sich ganz knapp verpasst. Nach dem, was Yoshani ihnen gesagt hatte, musste Lee innerhalb von Minuten nach Michaels Übertritt in den Pfuhl zur Insel im Nebel aufgebrochen sein.
Und so verschwendete Lee Zeit damit, das Haus und den von Mauern umgebenen Garten zu durchsuchen, während Glorianna …
Sie waren jetzt alle bei Nadia und warteten auf Lee, denn seine Insel bot die beste Möglichkeit, die Landschaft zu erreichen, in der die Schule lag. Nadia konnte nicht aus einer ihrer Landschaften übertreten. Yoshani und Teaser - nie hatte er ein Paar gesehen, bei dem er es für unwahrscheinlicher hielt, dass sie Freunde wurden - hatten, getrennt voneinander, versucht, über die Resonanzbrücke bei Nadias Haus zur Schule zu gelangen. Doch die Brücke funktionierte nicht mehr. Überhaupt nicht mehr.
Ephemera hatte Angst. Die Welt sandte keine Worte aus, sondern Lieder, die Geschichten erzählten. Die Gefühle vermittelten. Die Welt wurde gebeten, Dinge zu tun, die sie nicht tun wollte - vor denen sie sich fürchtete. Gebeten von einem Herzen, dem sie vertraute. Befehligt von einem Willen, der so stark war, dass sie sich ihm nicht widersetzen konnte.
Herzen kannten keine Geheimnisse vor Glorianna Belladonna. Sie verstand die Menschen, die sie liebten, nur allzu gut.
Und sie alle waren jetzt hier. Teaser und Yoshani, Lynnea und Sebastian, Nadia und Jeb. Sogar Caitlin Marie und seine Tante Brighid.
Es fühlte sich an wie eine Totenwache - die Frauen unterhielten sich leise in der Küche, während sie Berge von Speisen zubereiteten, die niemand essen wollte; die Männer saßen in einem anderen Raum, sprachen mit gedämpften Stimmen und versuchten, die Zeit mit Worten zu füllen, während sie alle auf das Transportmittel warteten, das sie zur Grabstätte bringen würde.
Im Haus war nicht genug Platz. Nicht genug Luft.
Er war draußen, starrte in ein Blumenbeet in Nadias Garten, ohne deutliche Erinnerung daran, wie er hierher gekommen war. Er wandte sich nicht um, um zu sehen, wer ihm aus dem Haus gefolgt war. Er musste es nicht. Auch gedämpft durch Sorge war Yoshanis Herz ein helles Lied.
»Was hat Euch heute Morgen hergeführt?«, fragte Michael.
»Eure Tante«, antwortete Yoshani. »Gestern war sie den ganzen Tag über leise, nachdenklich. Außer wenn sie zum Koi-Teich ging, um ›den Tag einzusingen‹, wie
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