Belladonna
einander Beleidigungen an den Kopf zu werfen, und die Geschichte anfängt, andere Menschen mit hineinzuziehen, die Partei ergreifen sollen, lassen die Dorfbewohner die zwei Frauen - oder Leute - zu einem Schlammloch am Rande des Dorfes bringen, das man genau für diesen Zweck erschaffen hat. Man hilft den zwei … ich will sie mal Kontrahenten nennen … in das Schlammloch...«
»Man stößt sie hinein, meinst du.«
Lee zuckte mit den Schultern. »Und sie legen los. Jede Beleidigung wird von einer Handvoll Schlamm begleitet, die auf den Gegner geschleudert wird.«
»Eine Schlammschlacht im wörtlichen Sinne.«
Er nickte. »Also schreien und toben und rasen sie und werfen Matsch aufeinander, bis sie zu müde sind, um weiterzumachen.«
»Es muss beschämend sein, Dinge auszusprechen, die geheim bleiben sollten.«
»Aber sie halten sie nicht geheim. Hinter dem Rücken der zweiten Person haben sie die gleichen Dinge anderen Leuten die ganze Zeit erzählt. Die Sache bringt es nur nach außen, und neben der Tatsache, dass allen klar wird, wie belanglos der Streit wirklich ist, ist es auch noch höchst unterhaltsam.«
»Hilft es denn?«
»Manchmal glaube ich, es schafft wirklich Klarheit zwischen Menschen, die einander mögen, aber irgendwann einmal aneinander geraten sind.«
Glorianna legte den Kopf schief. »Wie Geschwister?«
Lee grinste. »Nach dem, was ich gehört habe, brechen manche einen Streit vom Zaun, nur weil sie im Matsch spielen wollen.«
Sie lachte. »Zu blöd, dass du diesen Brauch noch nicht kanntest, als wir kleiner waren.«
Er lachte mit ihr, dann wurde er ernst. »Du bist nicht wie andere Landschafferinnen, Glorianna Belladonna. Bist es nie gewesen. Du bist ebenso eine derer, die mit dem Herzen gehen, als auch eine Landschafferin. Vergiss das niemals.«
Tränen brannten ihr in den Augen, und sie wehrte sich nicht, als er tröstend die Arme um sie schloss.
»Hast du dir je gewünscht, ich wäre wie sie?«, fragte sie mit dem Kopf an seiner Schulter.
»Manchmal«, erwiderte er leise. »Aber nur weil es dich so viel gekostet hat, anders zu sein.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Wenn es nach mir ginge, würde ich gar nichts ändern, Schwesterherz. Ich habe mit anderen Landschafferinnen zusammengearbeitet. Musste es tun. Und ich sage dir das jetzt nicht als dein Bruder, sondern als Brückenbauer. Es gibt niemand anders, den ich an der Spitze des Kampfes gegen den Weltenfresser sehen wollte. Es gibt keinen anderen, dem ich genug vertrauen würde, um ihm zu folgen.«
Sie hob den Kopf und sah ihm in die Augen. Nicht dass sie die Wahrheit sehen musste; sie konnte sein Herz spüren.
»Lass uns zu ihnen gehen.«
Hand in Hand betraten sie die Insel. In nur wenigen Augenblicken hatte Lee sie zurück in den Teil der Heiligen Stätten gebracht, in dem die Insel wirklich existierte. Ein paar Minuten später betraten sie das Gästehaus und fanden den Raum, den Yoshani für das Treffen vorbereitet hatte.
Die Landschafferinnen und Brückenbauer sahen nicht gerade verwahrlost aus, doch in ihren Augen lag ein benommener Ausdruck. Sie hatten das Ende der ihnen vertrauten Welt gesehen, und keiner von ihnen war sich sicher, wie der nächste Schritt aussehen sollte, um die grausamen Wunden zu heilen, die der Angriff des Weltenfressers aufgerissen hatte.
Haben die Wächter des Herzens genauso ausgesehen?, fragte sich Glorianna. Als der Kampf vorüber war, und sie sich in ihrer zerrissenen Welt umsahen, haben auch sie sich verloren und unsicher gefühlt?
Yoshani lächelte, als er sie erblickte, doch sie spürte die Resonanz der Trauer, die sein Herz verströmte, spürte die Dunklen Strömungen, die den Raum durchzogen, genährt von den fünf Landschafferinnen und drei Brückenbauern, die dort warteten. Sie kannte keinen der Brückenbauer und sie kannte die Landschafferin der Dritten Stufe und auch die drei, die Erststufen-Abzeichen trugen, nicht. Doch die älteste Landschafferin war während ihrer kurzen Zeit an der Schule dort eine der Lehrerinnen gewesen.
»Hey-a«, sagte Yoshani mit sanfter Stimme.
Einer der Brückenbauer blickte hinüber und sah sie. Einen Augenblick lang blieb sein Blick leer. Dann stieg der Zorn in ihm hoch, als er aufsprang und auf sie zeigte. »Was machen die beiden denn hier?«
»Sie sind diejenigen, die zu sehen ihr gekommen seid«, entgegnete Yoshani sanft.
»Nicht diese zwei«, sagte die älteste Landschafferin. »Nicht sie.«
»Es gibt Dinge, die ihr wissen müsst«,
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