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Belladonna

Belladonna

Titel: Belladonna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bishop
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Calhoun.« Die Erinnerung grub ihre Zähne in sein Herz.
     Er war sechzehn Jahre alt gewesen und hatte bereits vorgehabt, Ravens Hill zu verlassen, an jenem Tag, an dem den jungen Rory Calhoun und zwei Freunde im alten Steinbruch ihr Schicksal ereilte.
    Er hatte einen Spaziergang gemacht, in dem neuen Mantel, den Tante Brighid ihm als Abschiedsgeschenk gekauft hatte. Sein Inneres bestand aus einem Wirbel aus Angst und Aufregung über die Aussicht, zum ersten Mal seine Heimat zu verlassen, seit sein Vater ihn, seine Mutter und das Baby Caitlin in ihrem kleinen Haus abgesetzt hatte. Zusammen mit dem dazugehörigen Land war dieses Häuschen das einzige Erbe, das der Mann seiner Familie bieten konnte. Dann hatte ihr Vater sein Wanderleben wieder aufgenommen, und zwei Jahre später war seine Mutter ins Meer gegangen.
    Doch an diesem Tag hatte Michael nicht über die Romantik des Wanderlebens hinausgedacht, hatte es als  Möglichkeit gesehen, den Blicken zu entfliehen, die die Menschen ihm und Caitlin Marie zuwarfen. Er hatte die Möglichkeit gesehen, ein paar Münzen zu verdienen; mit der Musik, die zu spielen er sich selbst auf der alten Tin Whistle beigebracht hatte, die er in einer Truhe voller Habseligkeiten seines Vaters gefunden hatte.
    An jenem Tag waren sein Verstand und sein Herz erfüllt von dem Gefühl des Abenteuers und der Freude, statt eines alten gebrauchten einen neuen Mantel zu tragen. Dann hatten Rory und zwei Freunde angefangen, ihm hinterherzulaufen und ihn zu verhöhnen. Sie hatten Dreckklumpen geworfen, die ihn fast getroffen und seinen neuen Mantel schmutzig gemacht hätten.
    Bis Rory einen Klumpen geworfen hatte, der ihn genau auf den Rücken traf. Verletzt darüber, dass die Leute im Dorf ihm nicht gönnten, auch nur eine einzige schöne Sache zu besitzen, drehte er sich um und blickte Rory an: »Auf dass du all das bekommst, was du verdient hast.«
    »Ooooo«, sagte Rory und schwenkte die Hände. »Er verwünscht mich. Ooooo.«
    Sie folgten ihm weiter, bis sie den alten Steinbruch erreichten. Dann verließen sie ihn, um »Trau dich« zu spielen - ein Spiel, das alle Jungen im Dorf irgendwann einmal gespielt hatten, um ihre Männlichkeit oder Tapferkeit oder etwas ähnlich Dummes unter Beweis zu stellen. Normalerweise fand das Spiel auf der anderen Seite des Steinbruches statt, wo es Felsplatten und Vorsprünge gab, die nicht weit unterhalb der Kante lagen. Ein Sturz auf jener Seite des Steinbruches würde vielleicht mit einem gebrochenen Bein oder Arm enden. Auf dieser Seite hier gab es eine steile Böschung, die dann jäh bis zum Boden des Steinbruchs abfiel. Jeder Junge, der auf dieser Seite des Steinbruchs stürzte, würde auf dem Boden aufkommen, zerschmettert und dem Tode geweiht.
    Manches Mal hatte er sich gefragt, was geschehen wäre, wenn er weitergegangen, weitergelaufen wäre. Doch  die Luft um ihn herum erzitterte mit einem disharmonischen Lied, und irgendetwas in diesen jungen Stimmen zog ihn an. Also hatte er sich umgedreht und gesehen, wie sie viel zu nah am Abgrund standen. Doch darum ging es ja beim »Trau dich«-Spiel. Die Kante des Steinbruchs war nicht stabil. Kam man ihr zu nahe, konnte ein Teil des Steines abbrechen. Der Gewinner des Spiels war der Junge, der dem Rand am nächsten stand und mit dem Fuß aufstampfte und so riskierte, dass der Stein brach.
    »Es sind keine schlechten Jungen«, flüsterte er, während er zusah, wie die drei sich an den Rand des Steinbruches schoben. »Na ja, zwei von ihnen sind es nicht. Ohne Rory würden die anderen beiden sich vielleicht in die Gemeinschaft einfügen und erwachsen werden.«
    In diesem Augenblick, bevor sich die Dinge für immer veränderten, vernahm er so kreischend schrille Klänge, dass er zusammenzuckte. Ein schriller Ton, um genau zu sein, und zwei andere, die nicht ganz harmonisch waren. Zwei, die vielleicht wieder in das Lied zurückfinden könnten, das Ravens Hill ausmachte, wenn man ihnen eine Chance gab.
    In diesem Augenblick, bevor sich die Dinge für immer veränderten, sah er alle drei Jungen hochspringen und mit beiden Füßen auf die Erde stampfen.
    Bevor er sich bewegen konnte, verschwanden die Jungen. An ihrer Stelle blieb nur das Donnern der Steine und die staubige Luft.
    Michael rannte zum Steinbruch, blieb eine Körperlänge vor der neuen Kante stehen, dann überprüfte er mit jedem Schritt den Boden, bis er hinunter sehen konnte.
    Rory Calhoun hing am Rand eines neuen, jähen Abgrunds, durchbohrt von

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