Belles Lettres
gängige Praxis der Zeitschrift gewesen, den Büroboten unter College-Absolventen zu rekrutieren - etwa den Sohn eines Freunds eines Redakteurs -, ihm so Einblicke in die redaktionelle Arbeit zu gewähren und ihn dann nach ein paar Monaten, versehen mit einem Empfehlungsschreiben, seiner Wege ziehen zu lassen. Irgendwann war man jedoch der Meinung, daß Belles Lettres einen ständigen Mitarbeiter brauchte, um Satzvorlagen schnell zur Druckerei zu bringen, Büchersendungen der Verlage auszupacken, morgens Kaffee zu holen und Anrufe entgegenzunehmen, wenn die Redakteure verhindert waren. (Kurz nach seiner Einstellung erwarb sich Folio übrigens gleich einen gewissen Ruf in eigener Sache, weil er sich am Telefon mit der Floskel meldete: «Wem schlägt die Stunde?»)
Als Folio bei der Zeitschrift anfing, verfügte er über sechsmonatige Erfahrung als Bürobote des Messenger of the Sacred Heart, einer katholischen Abonnentenzeitschrift. Als einige in der Redaktion die Ansicht vertraten, Folio sei für den Job zu alt, wurde er nachdrücklich von Phil Flush verteidigt, unserem Experten in ethnischen Fragen, der gern darauf hinwies, daß er stets Katholiken für Tätigkeiten bevorzuge, bei denen die Gefahr von Diebstahl, Bestechung und Unterschlagung bestand. «Besonders bei Jobs, die keine Aufstiegschancen bieten», sagte er. «Ich habe häufig jüdische Bewerber für solche Jobs abgelehnt, selbst wenn sie besser qualifiziert waren. Ich will allerdings einräumen, daß ein Katholik, der sich etwas zu Schulden kommen läßt, das dann auch gleich sehr gründlich tut. Natürlich beziehe ich mich da auf gewisse italo-amerikanische Typen oder, um ganz allgemein konkreter zu werden, auf gewisse sizilianisch-amerikanische Typen. Doch alles in allem verbürge ich mich lieber für einen Katholiken in einem Job mit hohem Versuchungspotential und geringen Aufstiegschancen.»
Mr. Margin kam dem Schurken durch reinen Zufall auf die Schliche. Anscheinend schleppte Folio die Rezensionsexemplare nicht einfach aus der Redaktion, wofür er eine Schubkarre gebraucht hätte, sondern er versandte sie an drei Deckadressen. Die Adressen hatten sich im Lauf der Jahre geändert und lauteten schließlich folgendermaßen: «Mr. Christopher Blanks», bei einem lokalen Postfach; «Mr. C. P. Broadsides», c/o Folios Freundin Sylvia Topstain; und «Mr. Eric Blair», ein Name, der zu Hause auf Folios Briefkasten klebte. Christopher Blanks war eine real existierende Person, die für Belles Lettres eine monatliche Kolumne über Selbsthilfebücher betreute. Folio dachte sich vermutlich, daß die Vertrautheit des Namens möglichen Verdacht zerstreuen würde, falls der Postsachbearbeiter die Zeitschrift lesen sollte. C. P. Broadsides war gleichfalls ein gelegentlicher Rezensent für sexualwissenschaftliche Literatur. Den Namen Eric Blair wählte Folio, wie er mir später gestand, weil er ihm irgendwie literarisch vorkam.
Man könnte meinen, daß Folio über diesen Eric Blair stolperte. Es war jedoch Christopher Blanks. Blanks kam seit Jahren einmal im Monat in die Redaktion, um sich die Selbsthilfe-Bücher abzuholen, die Folio für ihn aus den über hundert Rezensionsexemplaren aussortierte, die täglich bei Belles Lettres eingingen. Bei diesem letzten Mal entschied sich Blanks allerdings dafür, die Bücher nicht nach Hause zu schleppen, sondern an seine Anschrift senden zu lassen, und deshalb brachte er sie in den Postraum, wo der puertoricanische Postsachbearbeiter, der für den Versand zuständig war, Blanks erklärte, daß die Bücher falsch adressiert seien.
Zuerst dachte Blanks, der Puertoricaner sei lediglich etwas stumpf, zumal er in seinem hispanischen Singsang redete - «Miiister Blanks, ich glauben Sie haben hier falsches Adress, ein falsches Adress ich glauben Sie haben hier.» Zufälligerweise befand sich jedoch im Postraum ein an Blanks adressiertes Paket, das der Puertoricaner ihm zeigte, um sich verständlich zu machen. Blanks wollte es sofort öffnen, doch der Postsachbearbeiter bestand auf der Anwesenheit eines Vorgesetzten und rief Mr. Margin, damit er bezeugen könne, daß Blanks die Person war, für die er sich ausgab.
Im Paket fanden sich gebundene Bücher im Gesamtwert (Ladenverkaufspreis) von vierhundert Dollar - unrezensierbare Nachschlagewerke, Kunstbände und technische Bücher -, von denen keines für Blanks' Kolumne in Frage kam. Mr. Margin, Blanks und der Postsachbearbeiter zogen sich in Mr. Margins
Weitere Kostenlose Bücher