Belsazars Ende
dazwischenfuhr, dann schlief er tatsächlich wieder ein.
Nachdem Toppe ausgiebig geduscht hatte, stand er pfeifend vorm Spiegel und begutachtete seinen nackten Körper: gar nicht so schlecht für fünfundvierzig. Er war sein Leben lang zu dick gewesen, aber seit er im letzten Jahr fast zwanzig Kilo abgespeckt hatte, konnte er seinen Anblick ausgesprochen gut ertragen.
Mit Sofia hatte er schon vom Bett aus telefoniert.
»Doch, natürlich kenne ich van Velden«, hatte sie gesagt, aber sein Tod schien sie nicht sonderlich zu berühren.
Sie hatte ihn zum Frühstück eingeladen, und er freute sich darauf. Zwar hatte er noch nie mit ihr gefrühstückt, aber sie war eine begnadete Köchin, das wußte er aus Erfahrung, und bei dem Gedanken an gebratenen Speck mit frischen Eiern lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Würde er eben das Mittagessen ausfallen lassen. Vermutlich kam er auch gar nicht mehr dazu, wenn er erst mal im Büro war.
Sein Freund Arend Bonhoeffer hatte wirklich Glück gehabt mit dieser Frau. Er kannte Arend schon lange, noch aus der Zeit, als sie beide noch in Düsseldorf wohnten. Für eine Weile hatten sie sich fast aus den Augen verloren, aber seitdem auch Arend vor neun Jahren an den Niederrhein gekommen war und als Pathologe in Emmerich arbeitete, trafen sie sich wieder regelmäßig.
Irgendwann hatte er ganz selbstverständlich Sofia mitgebracht, eine dunkle, reizvolle Frau, Malerin aus Emmerich, klein, nicht mehr jung, siebenundvierzig, genau wie Arend.
Der Wagen klapperte beleidigt, als Toppe über den holperigen Feldweg fuhr, der zu Bonhoeffers Anwesen führte.
Es war ein alter Bauernhof, der für viel Geld sehr behutsam renoviert worden war und reichlich Platz bot für Sofias Atelier und ihre Wohnküche, für Arends Weinkeller und seine Bibliothek.
Das Haus lag einsam und völlig frei in den Feldern zwischen Warbeyen und Erfgen, und als Toppe ausstieg, pfiff ihm vom alten Deich her ein unfreundlicher Herbstwind ins Gesicht.
Sofia hatte sicher ein Feuer im Kamin gemacht. Er rieb sich die Hände.
Am Gartentörchen zwischen der hohen Ligusterhecke kam ihm mir steilaufgerichtetem Schwanz Jupp Beuys entgegen und strich ihm schnurrend um die Beine. Toppe hockte sich hin und kraulte ihn hinter dem rechten Ohr.
»Na, alter Kater. Wirst auch immer fetter. Machst deinem großen Namen wahrhaftig keine Ehre.«
Aber Beuys ließ sich nicht beleidigen. Vor lauter Begeisterung rollte er sich mit einem heiseren Maunzer auf den Rücken.
»Nu, nu, ist ja gut, Jupp.«
Toppe schellte, aber es tat sich nichts. Erst nachdem er noch zweimal geklingelt und mit der Faust gegen die Tür gebollert hatte, hörte er das vertraute Klappern von Sofias Holzklotschen auf den Steinfliesen. Sie öffnete und sah ihn mit entrücktem Blick an.
»Ach Gott!« blies sie sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht.
Sie steckte in einem mit Farbklecksen übersäten Kittel und hatte einen Terpentinlappen in der Hand.
»Ich Schaf,« lachte sie, »ich hab’ völlig die Zeit vergessen. Komm rein.«
Aufgeregt lief sie vor ihm her zur Küche.
»Meine Güte, ich hatte dir doch ein Frühstück versprochen! Und geheizt ist auch noch nicht. Aber komm, setz dich, es dauert nicht lange. Ich kann jetzt auch was Gutes vertragen, ich bin schon seit halb fünf im Atelier.«
Eine halbe Stunde später saßen sie wirklich bei dem Frühstück, von dem Toppe geträumt hatte. Es gab gebratenen Schinken, Spiegeleier, kleine Bratwürstchen und Grilltomaten.
Toppe fühlte sich rundum wohl und nahm sich zum dritten Mal nach.
»Van Veldens Tod berührt dich nicht besonders.«
Sofia kaute ruhig zu Ende. »Nun ja, es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn jemand stirbt, den man kennt, erst recht, wenn er auf diese Weise stirbt. Aber ich muß gestehen, daß ich ihn nicht leiden konnte. Noch Kaffee?«
Toppe nickte. »Und warum konntest du ihn nicht leiden?«
Sie überlegte. »Wenn ich es ganz knapp zusammenfasse: er war ein arroganter, selbstherrlicher Chauvi.«
Er lachte. »Ein bißchen sehr knapp gefaßt. Solche Worte aus deinem Mund?« Er wunderte sich. Sie war der besonnenste und großzügigste Mensch, den er kannte.
»Hat er dir was getan?«
»Ich hatte vor vier Jahren mal gemeinsam mit ihm eine Ausstellung im Haus Koekoek. Da hat er mich sehr deutlich spüren lassen, daß er es eine Zumutung fand, mein Gekleckse neben seinen Werken dulden zu müssen.«
»Ach, so einer war das.«
»Ja, so einer war das. Galt hier immer schon als
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