Belsazars Ende
aber van Appeldorn in der Vaterrolle war Toppe immer noch fremd.
Sie hatten gerade den Tatort verlassen wollen, als sie die Nachricht erreichte, daß van Velden bei der Operation im Nijmegse Radbout gestorben war.
Bei dem bloßen Gedanken an den ganzen Papierkram, der bei der Überführung eines Toten auf sie zukam, hatte Toppe die Augen verdreht, aber van Appeldorn meinte: »Ich mach’ das schon, laß mal. Und dann versuch’ ich, van Veldens Frau aufzutreiben und etwaige andere Verwandte. Mir ist da eben noch was anderes eingefallen: deine Freundin Sofia, die müßte den van Velden eigentlich kennen.«
»Wieso? Nicht, daß ich wüßte.«
»So groß ist die niederrheinische Künstlerszene ja nicht. Ich meine, die hätten mal zusammen eine Ausstellung im Haus Koekoek gehabt.«
»Ich kann sie ja morgen früh mal anrufen. Wenn sie was über ihn weiß, fahre ich gleich raus zu ihr und komme dann erst später ins Büro.«
Ein ganzes Stück vor seinem Haus schaltete Toppe schon die Zündung ab und ließ den Wagen ausrollen. Er hatte keine Lust, sich morgen wieder die Sticheleien seiner Schwiegermutter anzuhören, die gleich nebenan wohnte und offenbar einen außergewöhnlich leichten Schlaf hatte.
Leise schloß er die Haustür auf. Gabi hatte die kleine Lampe an der Garderobe brennen lassen, wie immer, wenn sie schlafen ging und er noch nicht zurück war.
Er streifte die Schuhe ab und hängte seinen Mantel auf den Bügel. Eigentlich war er hellwach, aber heute war ihm nicht nach einem einsamen Bier und einer Beatlesoder Suzanne Vega-Platte über Kopfhörer. Er mußte dankbar sein für ein paar Stunden Schlaf. Wenn er da jetzt an Norbert dachte. Er spürte eine gesunde Freude darüber, daß seine beiden Kinder inzwischen so groß waren, daß es keine durchwachten Nächte mehr gab. Oliver ging jetzt schon seit sechs Wochen aufs Gymnasium. Aber Toppes Erinnerung an die Zeit, als die Jungen noch klein waren, war noch ziemlich lebendig. Sie hatten in der engen Mietwohnung in Kellen gewohnt mit dünnen Wänden und giftigen Nachbarn. Wenn sie damals schon ihr eigenes Haus gehabt hätten, wäre sicher vieles einfacher gewesen.
Gabi lag quer im Bett auf dem Bauch, ihren Arm auf seinem Kopfkissen. Sie schlief fest und atmete laut durch den Mund. Er lächelte. Sie war auch jetzt noch anziehend, vielleicht attraktiver als vor zehn, zwölf Jahren, als die Kinder noch klein waren und sie kaum Zeit für sich hatte.
Behutsam schob er ihren Arm zur Seite und legte sich hin. Sie murmelte etwas im Schlaf und drehte sich zur Wand. Sie war nackt – sie schliefen immer nackt –, und das ganze Bett war voll von ihrer Wärme. Er rückte näher an sie heran, bis er ihren Rücken dicht an seinem spürte, und genoß es, wie er langsam auftaute.
Gut, sie hatten ein paar Schwierigkeiten miteinander in den letzten ein, zwei Jahren, aber es waren eigentlich nur Kleinigkeiten, nichts wirklich Erschütterndes. Sie warf ihm vor, daß er zuviel arbeitete und zuwenig zu Hause war. Aber was wollte man machen? So war’s halt.
Wenn man an ihr Alter dachte, die fünfzehn gemeinsamen Jahre in die Waagschale warf, die Gewohnheit, den Alltag, all das, sollte man solche Krisen wahrhaftig nicht überbewerten. Er liebte sie immer noch.
Sicher anders als zu Anfang, nicht mehr so kopflos und blind, aber gerade drum. Er schlief gern mit ihr, nach wie vor. Bei ihr konnte es nicht anders sein. Von Zeit zu Zeit, wenn die Kinder bei Oma waren oder sicher fest schliefen, konnte er sie noch zu wilden Nächten hinreißen, in der Badewanne, auf dem Fußboden, im Bett, zwei, dreimal hintereinander.
Er drehte sich um und umfaßte von hinten ihren Leib.
»Wie spät ist es denn?« murmelte sie ins Kissen.
»Halb fünf«, flüsterte er und küßte ihren Nacken.
»Mein Gott!« stöhnte sie.
»Schlaf weiter, Schatz.«
Dann drehte er sich auf den Rücken und wartete auf den Schlaf.
Als der Wecker um zehn nach sechs klingelte, stellte er fest, daß er offenbar irgendwann tatsächlich weggedämmert sein mußte. Mißmutig zog er sich die Decke übers Ohr, aber Gabi rüttelte ihn.
»Was ist? Mußt du nicht raus?«
»Stell mir den Wecker auf halb neun.«
»Okay. Schlaf noch gut.« Sie küßte ihn auf die Schläfe.
»Bis heut’ abend.«
Sie war in Eile, wie immer, seit sie wieder ihren alten Job als MTA bei der Kinderärztin hatte.
Wie durch dicke Daunen hörte er noch, daß Christian und Oliver sich im Bad um die Zahnpasta kloppten und Gabi fauchend
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