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Belsazars Ende

Titel: Belsazars Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Wunderkind. Eine einseitige Begabung, früh von der Schule abgegangen. Ich glaub’, der war schon mit sechzehn auf der Akademie.«
    »Und wie alt ist er jetzt gewesen?«
    »So Mitte Fünfzig, schätze ich mal. Er hat beinahe von Anfang an ganz gut von der Kunst leben können. Eine Menge Auszeichnungen schon in jungen Jahren, Förderpreise, alles mögliche, und Ende der Achtziger dann der Große Staatspreis.«
    »Dann war er wohl auch ganz gut betucht.«
    »Arm war der bestimmt nicht, aber ich glaube nicht, daß er’s so dicke hatte, wie er gerne vorgab, sonst hätte er die Gastprofessur in Düsseldorf nicht angenommen. Das Leben, das er führte, hat sicher eine Menge Geld gekostet.«
    Toppe hob fragend die Augenbrauen.
    »Die große Villa, der Jaguar, Reisen, die rauschenden Atelierfeste, die er regelmäßig gab.«
    »Warst du auch mal eingeladen?«
    »Ich? Um Himmels Willen! Dazu war ich ihm eine Nummer zu klein. Nein, nein, der verkehrte in Düsseldorfer Mäzenkreisen, gehobenes Management. Ich wäre auch zu alt gewesen für diese Feste. Diese Herren bevorzugen ganz junge Mädchen.«
    »Das habe ich wohl gesehen.« Toppe erzählte von der Fotoausrüstung und den Postern.
    »Ja, das ist allgemein bekannt. Van Velden hat auch mal einen Fotoband rausgegeben, erotische Kunst, lauter Nymphchen. Das müssen wüste Gelage gewesen sein, die da einmal im Monat abliefen. Gingen über zwei, drei Tage mit Riesensauferei und einer Auswahl hübscher Modelle.«
    »Und das hat nie Ärger gegeben?«
    »Nicht, daß ich wüßte. Der hatte Narrenfreiheit.«
    »Es wundert mich, daß die Klever Bürger sich darüber nicht entrüstet haben.«
    »Ach, was. Otto Normalbürger hat davon doch gar nichts mitgekriegt, und die anderen küssen ihm die Füße. Er ist ja auch wirklich einer der wenigen großen Bildhauer unseres Landes, und das meine ich ganz ernst. Wenn man so jemanden in seiner Stadt hat, dann sieht man dem schon einiges nach. Der war ein Aushängeschild; so was wird poliert. Bei jedem größeren offiziellen Akt wurde er gebeten, sich zu zeigen. Und das genoß er sehr. Außerdem war sein Vater ja auch noch einer der wenigen Widerstandskämpfer der Stadt. Auch in dem Zusammenhang ließ man van Velden schon mal ganz gern auftreten. Hast du das denn nicht in der Zeitung gelesen, damals vor drei Jahren Fünfzig Jahre Reichskristallnacht? Diese peinliche Geschichte mit dem einen Vorführjuden.«
    »Doch, ich erinnere mich dunkel. Kennst du van Veldens Frau?«
    »Nein. Sind die nicht längst geschieden? Sie lebt auf Mallorca, soviel ich weiß. Mir fällt da grad’ was ein. Wenn du mehr über van Velden wissen willst, dann wende dich mal an den Siegfried Rambach von der Niederrhein Post. Der schreibt an einer van Velden-Biographie.«
    Toppe notierte sich den Namen. Dann betrachtete er unentschlossen das letzte Paar Würstchen auf der Platte.
    »Na, nu’ los«, lächelte Sofia, »oder glaubst du, die will ich wieder in den Kühlschrank packen?«

6
    Van Appeldorn hatte seinen Bericht geschrieben, sich um die Rückführung des Toten gekümmert, zweimal mit Frau van Velden in Spanien telefoniert und mit Günther Breitenegger, ihrem Aktenführer, den Fall durchgesprochen.
    Das alte Team vom 1. Kommissariat war in letzter Zeit merklich geschrumpft. Walter Heinrichs, der seit Jahren dazugehörte, hatte vor drei Monaten einen Herzinfarkt gehabt und war jetzt in einer Rehabilitationsklinik. Niemand konnte sagen, ob er jemals wieder voll einsatzfähig sein würde.
    Astrid Steendijk, mit ihren knapp dreißig Jahren das Küken im 1. K. stand seit einiger Zeit unter der direkten Aufsicht des Chefs, Stanislaus Siegelkötter, allgemein nur,Stasi’ genannt. Ihr jugendliches Ungestüm und wohl auch ihr Selbstbewußtsein waren ihm ein Dorn im Auge gewesen, und er hielt sie jetzt mit langwierigen und öden Routineaufgaben an der kurzen Leine, segnete alles höchstpersönlich ab. Man sah sie nur selten im gemeinsamen Büro.
    Blieben also noch Toppe als Leiter, van Appeldorn und Breitenegger. Ob die Besetzung für diesen Fall ausreichte, mußte sich erst noch herausstellen.
    Breitenegger stopfte sich seine Pfeife. Er war der Stoiker im Team; ein siebenundfünfzig Jahre alter Bayer, groß und schwer, mit einem mächtigen Schädel; verheiratet, ohne Kinder, aber mit Dackel; freundlich, besonnen und bei der Arbeit belastbar und gründlich.
    »Der Fall wird für einigen Wirbel sorgen, da kannst du sicher sein«, meinte er. »Wir werden uns warm anziehen

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