Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
„Ist doch nett hier. Schön ruhig. Man begegnet nur selten jemandem. Ich schätze mal, den meisten Joggern und Spaziergängern ist das Gelände zu klein und die Kurzen haben hier nichts zum Spielen. Wenn`s dunkel wird, sollte man allerdings aufpassen. Dann taucht hier eine ganz andere Szene auf. Mit Bier, Kampfhunden und rechten Parolen. Von denen sollte man sich besser fernhalten.“
Er sagt das – im Gegensatz zu vorhin – ganz ernst und eindringlich. Ich sehe ihn an und begegne seinen Augen, die warnend auf mich gerichtet sind. Das ist mal was ganz Neues und prompt muss ich schlucken.
Ich meine, bis jetzt habe ich so einige Facetten von ihm gesehen. Mal war er cool, dann wieder ironisch, missbilligend oder auch eindeutig lüstern. Aber dieser Blick jetzt, der ist völlig anders. Mir wird warm darunter, und beinah erliege ich der Illusion, dass er besorgt um mich ist. Aber ich rufe mich gleich wieder selbst zur Ordnung. Manuel und besorgt um mich? Pffft! Dass ich nicht lache!
Trotzdem halten diese grünen Augen mich fest. Ich kann einfach nicht wegsehen, selbst wenn ich wollte ….
Nur am Rande registriere ich, dass er näher rückt, und als er tatsächlich eine Hand hebt und seine Fingerspitzen über meine Wange streichen, rennen eine Milliarde Ameisen durch meine Eingeweide. Was jetzt? Will er mich etwa küssen?
Und ich? Will ich denn, dass er mich küsst?
Ein sehnsüchtiges Ziehen fährt durch meinen Bauch, und ich lehne mich unbewusst noch ein bisschen nach vorn, sehe ihn lächeln und dann sagt er feixend: „Steht dir eigentlich ganz gut!“
WAMM! Eine unsanfte Landung - ein bisschen wie in einem billigen Film.
Eben noch hat irgendein überbezahlter Musikus eine schmalzige Melodie gefiedelt und jetzt „Krks“! Kennt Ihr das Geräusch noch, wenn bei einem Plattenspieler die Nadel quer über die Rillen springt und das Vinyl zerkratzt?
So ähnlich klingt es gerade in meinem Kopf.
„Wa...?“, quake ich verwirrt.
Er grinst. „Das Rot. Steht dir gut!“ Ich begreife immer noch nicht, weil ich noch damit beschäftigt bin, die letzten 30 Sekunden aufzudröseln, um die Stelle zu finden, ab der ich ganz offensichtlich den Faden verloren habe.
Manuel deutet auf meine Wange. „Na, dein Sonnenbrand!“
„Ach so ….“
Ich ringe um Fassung und rücke möglichst unauffällig wieder ein Stückchen von ihm weg. Ob er was gemerkt hat?
Unauffällig versuche ich in seiner Mimik zu lesen, aber er hat sich schon wieder nach hinten gelehnt und reckt das Gesicht in die Abendsonne, die gerade noch so über die Bäume drüber scheint.
Auf einmal habe ich einen dicken Kloß im Hals und will nur noch weg hier. Hastig stehe ich auf, werfe ihm ein nervöses – und reichlich schiefes - Grinsen zu und weiß nicht, wohin mit meinen Händen, als ich nuschle: „Also, ich geh` dann mal. Ciao!“
Er sieht ein bisschen überrascht aus, angesichts meines eiligen Aufbruchs, hebt aber eine Hand und winkt kurz.
„Okay, ciao!“, sagt er und dreht sein Gesicht wieder nach oben.
Demnach bin ich wohl entlassen.
Auf dem Weg über den Rasen kribbelt es zwischen meinen Schulterblättern, und als ich den Ausgang erreiche, kann ich dem Drang mich umzuschauen nicht mehr widerstehen. Halb erwarte ich seinem Blick zu begegnen, aber Manu sitzt noch so da, wie ich ihn verlassen habe. Mit dem Rücken zu mir und das Gesicht nach oben gereckt.
Keine Ahnung wieso, aber das trifft mich irgendwie ziemlich heftig.
Auf dem ganzen Rückweg klebt mein Blick auf dem Asphalt des Gehwegs, während die Gedanken in meinem Kopf buchstäblich Amok laufen, und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich die drei Typen zu spät bemerke und voll in sie reinrenne.
Erschrocken sehe ich hoch, und sofort stechen mir ein paar markante Details ins Auge: 1. Glatzen, 2. Springerstiefel und Bomberjacken, und 3. eine Handgranate mit Fellbezug, sprich ein bulliges Hundevieh, das sich – ohne Maulkorb! - jetzt geifernd und kläffend auf die Hinterbeine stellt und von seinem Besitzer nur mit Mühe zurückgehalten werden kann.
Ich zähle Eins und noch Eins zusammen und komme auf Drei – so wie in „Drittes Reich“.
Ach du Scheiße! Solche Typen haben mir grade noch gefehlt! Ob das welche von denen sind, die Manuel eben gemeint hat?
„Sorry! Tut mir leid!“, beeile ich mich zu sagen, in der Hoffnung, dass sie mich unbehelligt meines Weges ziehen lassen.
Aber - das wäre ja wirklich zu schön gewesen. Irgendwo im Himmel – oder vielleicht auch in
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