Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
Nacht auf mindestens das Doppelte seiner ursprünglichen Größe angewachsen zu sein.
Ächzend quäle ich mich in eine sitzende Position und bleibe dann erst mal einfach so sitzen. Mir ist übel, aber ich weiß nicht, ob es sich dabei um die Nachwirkungen des Schmerzmittels handelt, oder an den Schmerzen selber liegt.
Vorsichtig stelle ich mich auf die Füße, atme erst mal tief durch, bis die Konturen meiner Umgebung wieder scharf werden, und dann tapse ich - einen Arm fest um meine Mitte geschlungen, den anderen vor mir ausgestreckt und nach jedem sich bietenden Halt tastend - in meine Diele, wo Manuel heute Nacht seine Telefonnummer hinterlassen hat. Zwar ist das Allermeiste was letzte Nacht betrifft noch irgendwo unter weichen und wattigen Nebeln verborgen, aber daran erinnere ich mich, ebenso wie an sein Angebot, für mich zur Apotheke zu gehen.
Als ich das Tischchen erreicht und den Zettel in den Fingern habe, lasse ich mich an Ort und Stelle zu Boden sinken und greife nach meinem Handy. Zum Glück habe ich es auch auf das Tischchen gelegt, nachdem Manuel weg war.
Eine Erinnerung tritt mich plötzlich penetrant in die Seite und will reingelassen werden. Irgendwas war heute Nacht.
Irgendwas mit Manuel und mir … was Peinliches, oder?
Und dann steht es mir glasklar vor Augen: ich habe ihn angemacht wie ein Teenie in der Kellerbar!
…
Mindestens!
…
Scheiße!!
Das darf doch wohl nicht wahr sein!!?
Aber jetzt, wo die Bilder erst mal da sind, werde ich sie auch nicht mehr los!
Ich, als ich mich aufführe wie ein giggelndes Gör, mich an Manuel ranschmeiße, ihn anschmachte, ihn sogar begrapsche ….
Herrgott im Himmel – wieso hast du das zugelassen?
Gut, ich war high, sogar ziemlich, aber wieso musste ich ausgerechnet auf diese Art aus der Rolle fallen?
Hätte ich nicht einfach kotzen und zotige Lieder singen können? Das wäre zwar auch peinlich gewesen, aber eben auf eine andere, weniger ….
peinliche
Art!
Ich grabe meine Finger in mein Haar und stöhne hingebungsvoll. Was mache ich denn jetzt? Ich kann Manuel doch nicht einfach anrufen, als wäre nichts gewesen und ihn bitten, für mich in die Apotheke zu gehen!
Meine drei Kumpel fallen mir ein. Wenn ich Glück habe, erreiche ich vielleicht einen von ihnen und kann ihn bitten, mir den Weg abzunehmen!
Gedacht, getan, aber - Fortuna ist scheinbar ohne Nachsendeadresse verzogen. Keiner der Drei meldet sich.
„Verdammte Kacke!“, fluche ich und zucke gleich darauf zusammen, als es an meiner Tür schellt.
Ich sitze keinen Meter davon entfernt und arbeite mich mühsam auf die Füße.
Verkrümmt humple ich zur Sprechanlage, es schellt ein zweites Mal, doch da höre ich auch schon eine Stimme – Manuels Stimme! – im Flur vor meiner Wohnung.
„Ben? Ist alles okay bei dir?“
Einen Augenblick lang spiele ich mit dem Gedanken „Ja, alles klar. Ich komme zurecht!“ zurück zu brüllen und ihn einfach draußen stehen zu lassen, aber die Schmerzwellen die durch meinen Körper rasen, bringen mich rasch zur Vernunft. Ich brauche unbedingt was dagegen, und so wie es aussieht, bin ich vorerst nicht in der Lage, selber nach draußen zu gehen.
Mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht den leisesten Schimmer habe, wo die nächste Apotheke überhaupt ist!
Ich öffne also mit zusammengebissenen Zähnen und drehe mich dann sofort weg, um ihn nicht ansehen zu müssen, höre demnach nur, wie er hereinkommt und die Tür hinter sich zumacht.
„Morgen“, sagt er, und ich erwidere den Gruß leise und nuschelnd, humple verbissen weiter Richtung Schlafzimmer und bin unendlich erleichtert, dass er mir nicht folgt.
„Ich brauch` wohl nicht zu fragen, wie`s dir geht, was?“, meint er, und ich spare mir die Antwort. Endlich erreiche ich mein Bett und lasse mich vorsichtig darauf nieder, kann aber einen leisen Ausruf des Schmerzes nicht unterdrücken. Prompt erscheint Manuel im Türrahmen.
„Soll ich dir helfen?“, fragt er, aber ich schüttle den Kopf, schwinge erst das eine, dann das andere Bein leise ächzend nach oben und krabble schließlich umständlich unter die Decke.
Herr Doktor, wenn ich so liege, geht es ….
„Mhm“, macht Manuel, löst sich von der Tür und geht zurück in die Diele.
„Dann geh ich mal eben in die Apotheke!“, ruft er von da. „Ich nehm` deinen Schlüssel mit, dann brauchst du nicht nochmal aufstehen!“
Ich antworte nicht, und nur Sekunden später geht meine Wohnungstür. Ich bin wieder allein.
Allerdings nicht
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