Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
abgelehnt hat.“
„Oder er könnte die Gelegenheit beim Schopf ergreifen.“
Der grimmige Unterton in seiner Stimme gefiel ihr nicht. „Dann sollten wir vielleicht für alle Fälle …“
Er wandte den Kopf, um ihrem Blick zu begegnen. „Richtig. Sobald es dunkel ist, suchen wir uns ein anderes Versteck.“
Und das taten sie auch. Sie lichteten die Anker und tuckerten im Schneckentempo und ohne Licht auf den offenen See hinaus. April saß vorn an der Reling und passte wie ein Schießhund auf. Sie schrie Luke Warnungen zu, wenn sie Sandbänke, Baumstümpfe oder im Wasser treibende Baumstämme in der Dunkelheit auftauchen sah. Nach einer Zeit, die ihr erschien wie Stunden, kamen sie an einen kleinen Fluss, der sich zwischen dichtem Sumpfgras und hohen Bäumen mit überhängenden Zweigen dahinschlängelte. Die Pontons schrammten über hartes Schilf und Wasserhyazinthen, während tief hängende Zweige das Kabinendach zerkratzten. Sie pflügten noch etwa eine Viertelmeile weiter, bis sie vom See aus nicht mehr zu sehen waren, dann steuerte Luke das Boot unter das dichte, ausladende Blätterdach einer riesigen alten Eiche. Als sie nicht mehr weiterkamen, machte er den Motor aus.
In der nachfolgenden Stille hörten sie das Ächzen und Rascheln der Zweige, die sie beim Reinfahren weggeschoben hatten und die jetzt an ihren angestammten Platz zurückschnellten. April ließ ihren angehaltenen Atem heraus. Luke stand von seinem Platz hinterm Steuer auf, dann knipste er zwei batteriebetriebene Lampen an. Während er sich mit der Hand durchs Haar fuhr, um sich ein paar Blätter und eine Spinnwebe abzustreifen, sagte er: „Hier müssten wir eigentlich fürs Erste sicher sein. Morgen früh tarne ich das Boot noch ein bisschen.“
„Hoffentlich haben wir jetzt dein Boot nicht allzu sehr ruiniert“, sagte April.
„Schließlich habe ich das Ding, um es zu benutzen. Und wenn es ein paar Schrammen abbekommen hat, ist es auch nicht so schlimm. So ist das Leben. Ich kann mir keinen sinnvolleren Verwendungszweck vorstellen.“
Ihre Unstimmigkeiten waren vergessen. Es war schwer, einem Mann böse zu sein, der so fühlte und der sich zudem auch noch selbst in Gefahr brachte, nur um sie zu beschützen. Bei ihm fühlte sie sich geborgen, und das war wunderbar. Hinzu kam noch, dass er seltsamerweise ihre Kreativität beflügelte, so dass die Wörter nur so aus ihr heraussprudelten. Er war bei der Erschaffung der kantigen und doch zärtlichen Helden schon immer eine Quelle der Inspiration für sie gewesen. Und ihre körperliche Beziehung reicherte ihre Arbeit um eine weitere Dimension an.
Sie war wieder da; sie war wieder eine Schriftstellerin. Und das war noch etwas, wofür sie ihm Dank schuldete.
Auch wenn er sie noch so sehr beunruhigte und ablenkte, war sie doch mehr als froh, dass sie jetzt mit ihm zusammen war. Vielleicht lag es an dem guten Beispiel, mit dem er voranging, oder vielleicht auch an seiner unerschütterlichen Zuversicht, auf jeden Fall schaffte sie es, ihre Angst zu verdrängen und nur im Augenblick zu leben. In den zurückliegenden weniger schlimmen Tagen war ihr klar geworden, dass es gar nicht so schlecht gewesen war, von ihm in diese Einsamkeit gelockt worden zu sein, auch wenn sie sein Vorgehen nach wie vor heftig missbilligte.
Erstaunlich, aber es ließ sich nicht leugnen.
Doch wie sie sich fühlen würde, wenn die Episode vorbei war, wusste sie nicht. Und was aus dem, was sich zwischen ihr und Luke entwickelt hatte, werden würde, lag ebenso im Dunkeln. Aber für jetzt und bis dies vorüber war, wollte sie mit ihm zusammen sein, begehrte und brauchte sie ihn.
Ihre Meinungsverschiedenheiten heute waren beunruhigend und nicht sonderlich produktiv gewesen. Es ging um mehr als nur um das, was offen zu Tage lag, aber worum es wirklich ging, wollte sie im Augenblick lieber nicht so genau wissen. Solange sie hier allein in der Einsamkeit waren, konnte sie es sich nicht leisten, genauer hinzuschauen. Sie wollte jetzt nur, dass alles so schnell wie möglich wieder so wurde, wie es vor ihrem Streit gewesen war.
„Setzen wir den Anker, oder vertäuen wir das Boot nur?“ fragte sie, obwohl sie sich ziemlich sicher war, wie die Antwort ausfallen würde.
„Wir vertäuen es nur, damit wir nicht aufs offene Wasser raustreiben, falls ein Wind aufkommt.“
„Sag mir, wo du es festmachen willst, dann helfe ich dir. Es war ein langer Tag, und wenn du keine bessere Idee hast, würde ich anschließend ganz gern
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