Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
ihm einen forschenden Blick zuwarf. „Sag mir jetzt nicht, dass du auch etwas dagegen hast.“
„Kann ich nicht sagen, weil ich nicht genau weiß, was du eigentlich machst. Die Frage ist nur, warum du dir ausgerechnet uns ausgesucht hast und warum zum jetzigen Zeitpunkt. Wenn du es tust, weil wir ein Teil von dem sind, was du kennst und liebst, ist es eine Sache. Aber wenn du vorhast, Luke irgendwas heimzuzahlen, ist es eine ganz andere – vor allem, wenn du uns alle in einem schlechten Licht erscheinen lässt.“
„Aber ich schreibe doch einfach nur eine Geschichte“, protestierte sie. „Ohne irgendwelche Hintergedanken und ganz bestimmt nicht, um irgendwem etwas heimzuzahlen.“
„Bist du sicher?“
Seine Stimme war streng, sein Blick durchbohrte sie fast. Irgendwie neugierig geworden, fragte sie: „Das klingt ja fast, als ob du dir mehr Sorgen um Luke machst als um die Familie.“
„Er hatte es nicht leicht in den letzten Jahren. Eine Farm zu bewirtschaften ist kein Zuckerschlecken. Ständig muss man sich Sorgen um das Wetter machen oder um irgendwelches Ungeziefer, das gegen Insektenvertilgungsmittel resistent ist, und um die in den Himmel wachsenden Preise der Maschinen. Außerdem hat er außer seiner Großmutter noch mehr Leute, die er unterstützt. Da gibt es noch eine ältere Tante und zwei Cousins, denen er das Studium finanziert.“
„Das wusste ich nicht“, sagte sie.
„Er macht nicht viel Aufhebens darum. Das ist nicht seine Art. Aber wenn du dann noch die Gespenster dazu nimmst, von denen er seit diesem Unfall vor Jahren gejagt wird, dann kann man sagen, dass er ein ganz schönes Päckchen zu tragen hat.“
„Ganz zu schweigen davon, dass er zu allem Überfluss auch noch mit seinen Frauen herumjonglieren muss“, sagte sie mit grimmigem Lächeln.
„Luke liebt die Frauen“, stimmte Roan zu. „Egal, ob jung oder alt, klein oder groß, dick oder dünn – er liebt sie alle. Er mag es, wie sie reden und denken, er mag ihre Sanftheit und die Art, wie sie mit den Dingen umgehen. Und weil die Frauen das spüren, lieben sie ihn auch. Aber es bedeutet nicht, dass er sie benutzt.“
„Das habe ich auch nie gedacht“, protestierte sie.
„Wirklich nicht?“ fragte Roan und auf seinem strengen, kantigen Gesicht zeigte sich kein Lächeln.
Vielleicht hatte er ja Recht, vielleicht dachte sie ja wirklich, dass Luke, unersättlich wie er war, Frauen wahllos benutzte. Es war leichter und ganz bestimmt bequemer, als einen Mann in ihm zu sehen, der in weichen Frauenarmen Trost suchte.
In einem Versuch, das Thema, das kompliziert zu werden drohte, zu wechseln, fragte sie: „Und was ist mit dir? Ich frage mich schon seit einiger Zeit, warum du keine feste Beziehung hast. Bist du nicht interessiert?“
„Ich bin nicht immun, falls es das ist, was du meinst.“ Er hob eine Schulter. „Die Wahrheit ist, dass ich für so etwas nicht viel Zeit habe.“
„Aber wenn die Richtige kommt und dir die Pistole auf die Brust setzt, wirst du dir Zeit nehmen?“
„Jede Frau, die mir die Pistole auf die Brust setzt, wird sich auf dem Rücken wiederfinden.“
Sie musste über seine prompte Reaktion lachen. „Wenn du Glück hast, könnte es sein, dass sie genau dort liegen will.“
Ein bedauerndes Grinsen ließ seine dunkelgrauen Augen aufleuchten, als er antwortete: „Hoffen wir es. Aber ein bisschen bewaffneter Schutz für eine allein lebende Frau ist gar keine so schlechte Idee, weißt du. Du solltest darüber nachdenken. Luke könnte dir beibringen, wie man mit einer Pistole oder einem Gewehr umgeht. Er ist ein erstklassiger Schütze.“
So ein Lob von Roan konnte nur bedeuten, dass Luke sich als Experte hervorgetan hatte, obwohl das in einer Gegend, in der die meisten Männer zur Jagd gingen, keine Seltenheit war. Dieses Talent war in ihren Augen allerdings keine Empfehlung, obwohl sein Cousin das nicht zu registrieren schien. „Ich weiß deinen Rat zu schätzen, aber ich glaube nicht, dass das das Richtige für mich wäre“, erwiderte sie und versuchte die Unterhaltung in eine angenehmere Richtung zu lenken.
Die Hochzeitsfeier verlief nach einem vertrauten Muster. Kanes Großvater nahm den Ehrenplatz ein, mit seiner neuen hübschen Braut, der weißhaarigen Miss Elise, an seiner Seite. Der ältere Herr forderte Regina zum Tanz auf, nachdem sie den ersten Tanz mit ihrem Bräutigam getanzt hatte und den zweiten mit ihrem Sohn Stephan. Kane tanzte mit Miss Elise einen langsamen Walzer, wobei er
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