Benny und Omar
für all das zu stehen, was er zurückgelassen hatte. Es dauerte ewig, bis das Bild scharf war. Aber als sich die flirrenden fruchtgummiartigen Schatten auf dem Bildschirm in die leuchtenden Trikots der Mannschaft aus Wexford verwandelt hatten, kam Pat Shaw an der Wand entlang ins Wohnzimmer.
»Äh … Sohn … Was hast du da gesagt? Was hast du?«
»Ruhe, Dad. Es geht los.«
Pat Shaw gab ein glucksendes Geräusch von sich und streckte sich neben seinem Sohn auf dem Boden aus.
»Ruhe!«, schrie er in die Runde. Und nach ein paar Werbespots für Dünger und Guinness (diese PR-Leute kannten ihre Pappenheimer) wurde endlich der Ball eingeworfen.
Die Zuschauer flippten schon beim Anpfiff völlig aus. Der Radau, den sie veranstalteten, ließ unschwer erkennen, dass sie seit fast zwanzig Jahren auf diesen Augenblick gewartet hatten. Einen solchen Wahn entwickelt man nicht in zwölf Monaten. Es braucht Generationen, so etwas aufzubauen.
Die Mannschaftsaufstellung flimmerte über den Bildschirm. Benny ging sie aufmerksam durch. George O’Connor war dabei! Flood war wahrscheinlich verletzt. Leider war Owen O’Neill für Limerick aufgestellt. Sein Knöchel war wohl besser geworden.
Bei der Nationalhymne stimmten Benny und Dad ein. Die Wexford-Fans fingen schon bei der Hälfte an zu schreien. Sie konnten sich einfach nicht länger beherrschen.
Benny war es schlecht. Nach all dieser Zeit wurde sein Traum auf dem Spielfeld vor ihm Wirklichkeit. Hart und gerecht, keine Mannschaft wich kampflos auch nur einen Millimeter zurück. Man konnte fast nicht zusehen. Nur noch wenige Minuten zu spielen. Ein Tor würde die Entscheidung bringen. Limerick kämpfte sich zum gegnerischen Strafraum durch. Aber der Sliotar flog überallhin, nur nicht ins Tor. Die Shaws stöhnten, als lägen sie auf der Folterbank. Sogar die Menschenmenge im Stadium wurde heiser. Der Jubel klang rau wie das Rauschen einer Muschel, die man sich ans Ohr hält. Sie waren in der Verlängerung. Zwei Minuten.
»Pfeif ab!«, jammerte Benny. So dicht vor dem Ziel und doch konnte ein Schuss alles verändern. »Pfeif es ab!«
Der Schiedsrichter musste ihn gehört haben. Er blies in seine Pfeife. Das Spiel war vorbei.
Die Shaws konnten es kaum fassen. Nachdem sie so lange darauf gewartet hatten, war es kaum zu glauben, dass Wexford endlich gewonnen hatte. Das Publikum strömte auf das Spielfeld und stürzte sich auf die Spieler.
Dad packte Benny unter den Armen und drehte sich mit ihm im Kreis. Als sie sich lange genug umarmt und geheult hatten, wollte Pat es auch unbedingt Jessica erzählen. Sie saß natürlich – schon seit neunzig Minuten – in dem Sessel hinter ihm.
»Hast du gesehen?«
»Ja, Liebling.«
»Ich habe nie gedacht …«
»Ich weiß, Liebling.«
»Es war einfach überhaupt kein Problem für sie …«
»Nein, Liebling.«
Es war schon lustig, wie Hurling einen der Fähigkeit beraubte, in ganzen Sätzen zu sprechen.
»Pat?«
»Ja?«
»Wer ist das?«
Omar saß mit gekreuzten Beinen auf dem Sofa und kaute ein paar übrig gebliebene Fischstäbchen.
»Ich … äh … es ist … Benny. Wer ist das?«
Wenn man seine Hausaufgaben so oft vergessen hatte wie Benny, waren Erklärungen rasch bei der Hand. »Das ist Omar. Er ist der Sohn von einem der Wachmänner. Ich habe ihm Hurling beigebracht. Er stellt sich gar nicht schlecht an. Aber es gab ein paar Löcher.«
»Und warum ist er um diese Uhrzeit noch auf?«
»Sein Vater hat Nachtschicht.«
»Und?«
Benny brachte einen seiner Lieblingstricks zur Anwendung: Gib ein geringfügiges Vergehen zu, um ein größeres zu vertuschen. »Ach komm, Mam. Er hat sich aus der Hütte rausgeschlichen, um das Video vorbeizubringen. Einer von den Fahrern hat es aus Tunis mitgebracht.«
»Gut. Vielleicht möchte Omar zu dem Fisch etwas trinken.«
Bingo! Sie hatten es gefressen. Wenigstens Jessica. Dad scherte sich keinen Pfifferling darum, woher das Band kam. Auch wenn Jack the Ripper es bluttriefend vorbeigebracht hätte – Pat Shaw hätte ihm gedankt und es in seinen Rekorder eingelegt.
»Cola?«
Omar schüttelte den Kopf. » La. Mafi Cola. Sagen Sie nicht einfach Cola, verlangen Sie Pepsi.«
»Übertreib’s nicht.« Benny versuchte, ein böses Gesicht zu machen, schaffte es aber nicht. Wexford hatte das Endspiel gewonnen und er hatte es miterlebt. »Es ist Pepsi, guter Mann«, sagte er und tänzelte in die Küche.
Omar nickte unter Jessicas prüfendem Blick.
»Und wie lange kennst du unseren
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