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Benny und Omar

Benny und Omar

Titel: Benny und Omar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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lernen.
    Unwillkürlich begann Benny aufzutauen. Er verspürte nicht einmal das Bedürfnis, dauernd eine blöde Bemerkung zu machen, was nicht heißen soll, dass er die Gelegenheit nicht wahrnahm, wenn sie sich bot.
    Es grenzte an ein Wunder, dass die beiden Jungen nicht mindestens hundertmal den Tod fanden. Bei Spritztouren auf dem Moped und halsbrecherischen Sprüngen von der Grenzmauer brauchten sie mehr Leben auf, als in einem ganzen Sack voller Katzen steckt. Der Gedanke, dass ihre Glückssträhne einmal abreißen könnte, kam Benny und Omar nie.
     
    Am Samstagabend ging Benny freiwillig unter die Dusche. Omar hatte ihn zum Abendessen in seine Hütte eingeladen. Dem kleinen Kerl war das so wichtig gewesen, dass Benny es für angemessen hielt, sich den Skalp zu schrubben. Ma und Dad waren mit den Tafts zu einem Nobelrestaurant in die Stadt gefahren. Er würde problemlos vor ihnen zu Hause sein. Der Schleimer konnte auf sich selbst aufpassen. Benny lächelte.
    Im Vorbeigehen erblickte er sein Spiegelbild und schnitt sich eine Grimasse. Seine Augen und seine Zähne sahen erschreckend weiß aus. Dann wurde ihm klar, dass sie so waren wie immer, nur der Rest von ihm war braun. Da wurde der Hund in der Pfanne verrückt, aber er wurde tatsächlich braun! Endlich sah er mal ein bisschen gesünder aus. Und es war nicht diese Sonnenbräune, die man bekam, wenn man sich am Swimmingpool in der Sonne braten ließ, sondern das tiefe wind- und wettergegerbte Braun der Unterarme eines Fischers. Benny trat dichter an den Spiegel und spähte nach weiteren Veränderungen aus. Über der Oberlippe fahndete er nach ein bisschen Flaum – nichts. Seine Haare spielten vollends verrückt. Irgendwie hatte die Sonne sie steifer gemacht. Sie standen fast rechtwinklig von seinem Kopf ab. Benny entdeckte ein paar kupferrote Strähnen in dem Braun. Kupferrot! Und er hatte eher noch mehr Schrammen und Stiche als jemals zuvor, aber wie Deodorant verdeckte die Sonnenbräune so manches.
    Der Schleimer saß im Nachthemd auf der Couch. Welcher andere Junge auf Gottes Erdboden trug ein Nachthemd, wenn er nicht im Krankenhaus lag? Aber Georgie hatte es bei jeder Gelegenheit an. Und stolzierte damit herum wie der kleine Lord.
    »Wie kommt’s, dass du dich wäscht?«, fragte er argwöhnisch.
    Benny begann automatisch, nach einer Ausrede zu suchen, aber dann fiel ihm ein, wer mit ihm sprach. »Halt die Klappe oder ich wasche dich. Was gibt’s in der Kiste?«
    »Auf TNT kommt National Velvet. « Georgie liebte Elizabeth Taylor, vor allem in der jüngeren Ausführung.
    »Da hast du aber Glück.« Benny schnappte sich die Fernbedienung.
    »He … Benny!«
    Aber wozu? Er war ja sowieso nicht da. »Dann schau eben weiter. Ein Königreich für meine Ruhe. Sag nicht, dass ich dir nie einen Gefallen tue.«
    George lächelte erfreut. »Danke, Benny.«
    Benny hasste es, wenn er sich so verhielt. Er hatte ein schlechtes Gewissen, wenn er sich hinausschlich, obwohl er auf seinen kleinen Bruder aufpassen sollte. Aber was konnte schon passieren? Da waren ein Junge, eine Couch und ein Fernseher. Kein einziges gefährliches Element in der ganzen Gleichung. Wenn es denn eine Gleichung war.
    Mit einem abschließenden wütenden Blick ging Benny in sein Zimmer und überließ seinem Bruder die Kontrolle über die Fernbedienung. Wenn man der Jüngste in einer Familie ist, passiert das nach fünf Uhr nachmittags nicht sehr oft und muss gebührend genossen werden.
    Benny zog sich im Schlafzimmer an und versuchte, sich aus den nagenden Schuldgefühlen herauszureden. Es sprach einiges gegen sein Vorhaben: Er missachtete die ausdrückliche Anweisung, das Dorf nicht zu verlassen. Wenn er erwischt wurde, stand sein jüngstes Wiedersehen mit Bargeld auf dem Spiel. Außerdem ließ er seinen jüngeren Bruder im Stich und lieferte ihn auf Gnade und Ungnade marodierenden Moskitos oder sonstigem Getier aus. Andererseits sagte seine Ma immer, dass Georgie sowieso viel reifer sei als er. Welchen Sinn hatte es also, ihm die Verantwortung zu übertragen? Keinen. Und dieses Abendessen bedeutete Omar offenbar viel. Er hatte eine sehr ernste, gewichtige Miene aufgesetzt, als er ihn eingeladen hatte. Es wäre nicht richtig, aus egoistischen Gründen, nur weil er Ärger vermeiden wollte, seinen einzigen Kumpel zu enttäuschen.
    Benny wusste, dass diese Argumentationskette mehr Löcher hatte als die Unterhose eines Kraken, aber er hatte eine Vorliebe dafür, sich die Logik herauszupicken, die

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