Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
tun, als Zerberus, dem Wächter des Nordtors zur Hölle, dabei zuzusehen, wie er mich zu seinem Mittagessen auserkor.
11
Knurrkopf hielt fünf Zentimeter von meinem Gesicht entfernt inne. Sein einziges, gelbes Auge starrte mich eindringlich an. Ich rührte mich nicht von der Stelle, blinzelte nicht … genau genommen atmete ich nicht mal. Ich stand einfach nur da, als ginge mich das Ganze nichts an, und versuchte, mich so lässig zu fühlen, wie ich hoffentlich aussah.
Die wichtigste Lektion, die ich vom Hundeflüsterer gelernt hatte, war, dass man Hunde ignorieren musste, solange sie nicht ruhig und unterwürfig waren – selbst wenn man befürchtete, dass sie einen kurzerhand auffressen würden. Zwar hatte Cesar Milan es offensichtlich nicht mit riesigen, dreiköpfigen, Menschenfleisch mampfenden Ungeheuern zu tun, aber ich ging davon aus, dass seine Methoden unabhängig davon, wie groß der betreffende Hund war, ihre Gültigkeit behielten. Ich musste den Köter einfach so lange ignorieren, bis er zu dem Schluss kam, dass ich die Rudelführerin war – was hoffentlich bald war, weil mein Herz nämlich mit dreifacher Normalgeschwindigkeit schlug. Ich wollte nun wirklich nicht ausgerechnet in der Hölle einen Herzinfarkt erleiden. Nach allem, was man so hörte, dauerte es hier Ewigkeiten, bis der Notarzt kam.
Während Knurrkopf mich anstarrte, schossen die beiden anderen Köpfe heran und sogen schnaufend und mit bebenden Nüstern meinen Körpergeruch ein, als handelte es sich um Nektar und Ambrosia. Aus der Nähe sahen sie aus wie ein Paar ganz gewöhnlicher schwarzer Labradore – wenn man sich die rasiermesserscharfen Zähne wegdachte. Beide hatten leuchtende gelbgrüne Augen und schwarze, herzförmige Schnauzen, und beide stanken nach nassem Hund. Einer versuchte sogar, meinen Schritt zu beschnüffeln (typisches Hundeverhalten), doch ich versperrte ihm mit einem gehobenen Knie den Weg – wobei ich total vollgesabbert wurde. Ich ließ mich also von den beiden dummen Köpfen beschnüffeln, achtete dabei jedoch tunlichst darauf, den zähnefletschenden Kopf nicht aus den Augen zu verlieren. Ihn zur Unterwerfung zu zwingen, war der Schlüssel – die dummen Köpfe würden tun, was immer der schlaue Kopf von ihnen wollte. Dessen war ich mir (hoffentlich zu Recht) ziemlich sicher.
Wie erwartet zogen sich die beiden weniger bösartigen Köpfe zurück und unterwarfen sich der Autorität des Knurrkopfs, sobald sie meine Witterung zur Genüge aufgenommen hatten. Die Entscheidung, ob es sich bei mir um Freund oder Feind handelte, blieb ihm überlassen. Ich hoffte inständig, dass ich mich als Freund herausstellen würde, aber sicher konnte man sich bei so etwas nie sein – ich war absolut darauf vorbereitet, die Beine in die Hand zu nehmen, falls die Sache schiefging.
Ich umschloss das gerippte Ende der Leine fester, um mich zu vergewissern, dass das herbeibeschworene Hundegeschirr noch da war. Ich wusste noch nicht, wie ich Zerberus das Ding anlegen sollte, aber zumindest konnte ich mir sicher sein, dass es einsatzbereit war, sobald ich es brauchte.
Knurrkopf starrte mich weiter an. Sein eines Auge war ein beständiges Leuchtfeuer der Feindseligkeit. Offenbar hatte das Ungeheuer noch nicht beschlossen, mich zu fressen, aber anscheinend wollte es sich von mir ebenso wenig am Bauch kraulen lassen. Ich schluckte schwer und zwang mich, geduldig zu bleiben, um diese erste – und, wenn ich mich nicht zusammenriss, vielleicht auch letzte – Aufgabe, zu bestehen.
Während Sekunde für Sekunde verstrich, schloss ich die Augen und betete lautlos darum, dass Zerberus sich zu einem Nickerchen entschloss und an Ort und Stelle einschlief. Als mir klar wurde, dass das reines Wunschdenken war – und nichts, wofür es sich ernsthaft zu beten lohnte –, öffnete ich die Augen wieder und stellte fest, dass Knurrkopf sich von mir abgewandt hatte. Der Kopf selbst war noch immer auf mich gerichtet, doch sein Auge starrte an mir vorbei. Zu meiner Beunruhigung drang plötzlich ein seltsamer, schnüffelnder Laut aus seiner Kehle. Dann begann das gelbe Auge, sich in seiner Höhle zu drehen, wie Linda Blairs Kopf in Der Exorzist oder wie eine Roulettekugel.
„Seltsam“, hörte ich mich sagen, während ich das Geschehen fasziniert beobachtete.
Bevor ich ein weiteres Wort herauskriegte, schoss der dreiköpfige Wächter der Hölle plötzlich auf mich zu. Seine drei riesigen Zungen hingen ihm wie leuchtend rote Nacktschnecken aus
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