Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
nervös an. Mit der Hand tätschelte sie abwesend Kümmerchens Kopf, als handelte es sich um Buddhas Bauch, der ihr eine Extraportion Glück spendieren würde.
»Warum sollte ich sauer sein?«, entgegnete ich und kramte in meinem Kopf nach möglichen Gründen.
»Ich weiß nicht …«, erwiderte Clio, und ihre Worte verloren sich im Unausgesprochenen.
»Hör mal, es gibt keinen Grund für mich, sauer zu sein, Clio. Warum sollte mich das kümmern?«
Sie atmete auf, und die Anspannung in ihrem Kiefer und ihren Schultern, die ich bis eben nicht mal bemerkt hatte, löste sich.
»Danke, Cal«, sagte Clio lächelnd. »Bitte verrate Dad nicht, dass ich dir davon erzählt habe, okay?«
Ich nickte, und jetzt versetzten mein Kiefer und meine Schultern sich in den Spannungszustand, den Clios gerade abgelegt hatten. Ich wusste nicht so richtig, warum mir die Sache innerlich so unerträglich seltsam vorkam. Ich meine, schließlich wollte ich ja nicht für Dad arbeiten oder so. Trotzdem, der Umstand, dass er Clio den ganzen Sommer über unbewacht im Fegefeuer hatte rumhängen lassen, machte mich … tja, ich schätze, das richtige Wort lautet »eifersüchtig«.
»Es ist eigentlich keine große Sache, Cal, aber du musst mir glauben, dass die Sicherheitsmaßnahmen wirklich extrem streng sind.«
»Na schön, die Sicherheitsmaßnahmen sind streng. Ich hab’s kapiert, Clio.« Langsam wurde ich zuversichtlicher, als ein Plan in meinem Kopf Gestalt annahm. »Ich gehe nicht einfach da rein und improvisiere. Ich habe einen Plan, einen großartigen Plan. Und deshalb wird alles bestens und total locker laufen.«
Clio wirkte nicht besonders beruhigt von meiner kleinen Ansprache. »Versprich es«, sagte sie nach kurzem Zögern.
»Ich habe mir das alles genau überlegt.« Die Worte verließen meinen Mund, ohne dass mein Gehirn auch nur das geringste bisschen darauf achtete, was ich redete. »Vertrau mir.«
9
»He, Jarvis«, sagte ich mit einem so starren Lächeln auf den Lippen, dass er einfach Verdacht schöpfen musste. »Ich muss dich um einen grooooßen Gefallen bitten.«
Clio, Kümmerchen und ich hatten das Haus eine Stunde lang nach dem Faun abgesucht und ihn schließlich in Dads Bibliothek gefunden, wo er Manuskripte sortierte. Er schaute bei unserem Eintreten kurz von seiner Arbeit auf, hielt jedoch nicht eine Sekunde lang inne. Normalerweise hätte seine Unaufmerksamkeit mich gestört, doch da ein abgelenkter Jarvis ein weniger misstrauischer Jarvis war, erschien es mir sehr viel einfacher, ihn an der Nase herumzuführen.
»Ja?«, fragte Jarvis mit einem kurzen Blick in meine Richtung und wandte sich dann schnell wieder der uralten, in Kalbsleder gebundenen Schrift zu, die er in den manikürten Händen hielt.
Da mir klar war, dass es nun jetzt oder nie hieß, trat ich weiter in das große, gediegen eingerichtete Zimmer ein und setzte mich in einen der herrschaftlichen hellbraunen Ohrensessel links und rechts des dazu passenden braunen Ledersofas in der Mitte der Bibliothek. Clio und Kümmerchen blieben (als moralische Unterstützung) in der Tür stehen, aber im Prinzip war ich bei dieser Sache auf mich allein gestellt.
Das geschieht mir wohl recht, dachte ich bei mir. Ein Mädchen, das einen dummen Handel mit einem ausgewachsenen Höllenhund abschließt, verdient jedes bisschen Ärger, das es sich einhandelt.
»Tja …«, setzte ich an und machte mir dann sofort Sorgen darüber, dass ich das butterfarbene Leder vielleicht mit Hundesabber vollschmierte. Da die Zeit knapp war, waren mir nicht einmal die nötigen zwei Sekunden geblieben, um mich umzuziehen. Also sprang ich wieder auf und schlenderte ans andere Ende des Zimmers, wo ich neben dem riesigen, in die Wand eingelassenen mahagoniverkleideten Kamin Stellung bezog.
Ich konnte mir nur zu gut Vaters Gesichtsausdruck vorstellen, wenn er nach Hause kam und Hundesabber auf einem seiner kostbaren Ohrensessel vorfand. Das wäre kein schöner Anblick. Ich hatte mir schon ganz schön was dafür anhören müssen, dass ich sein Studierzimmer vor ein paar Monaten ein bisschen verwüstet hatte.
In jenem Zimmer hatte ich unbewusst seine ganze Schreibtischunterlage vollgekritzelt und damit einen Möchtegern-Rorschachtest aus seiner braunen Ledermappe gemacht. Das war zugegebenermaßen dumm gewesen, aber ich hatte immerhin auch unter großem Stress gestanden. Da mein Vater in Sachen »persönliche Verantwortung übernehmen« ein echter Pedant ist, hat er mich gezwungen,
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