Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
die Wahrheit offenbart, verändert sich von Grund auf.
Die meisten Menschen sind sich nicht mal bewusst, dass es ein Jenseits gibt, und schon gar nicht begreifen sie nach einem einzigen Einführungsgespräch, wie es wirklich funktioniert. Man kann sich also vorstellen, zu was für einer verstörenden Situation sich das Ganze für die Betreffenden entwickeln kann.
Nachdem der Vorstand der Jenseits GmbH die armen Bewerber also zu Tode erschreckt hat, erlegt er ihnen drei Prüfungen auf – früher waren es mal dreizehn, doch es gab so viele Beschwerden darüber, wie lange die potenziellen »neuen« Tode brauchten, um sie zu bestehen (wir sprechen hier von Jahren), dass der Vorstand die Anforderungen schließlich lockerte. Die Prüfungen sind für jeden anders, sodass niemand beim anderen abgucken kann – offenbar kann man menschlichen Wesen nicht mal so weit trauen, wie man sie werfen kann –, und letztlich wird der- oder diejenige, der oder die seine Prüfungen zuerst besteht, der neue Obermotz in Sachen Jenseits.
Ich selbst hatte (mithilfe von Jarvis, Kümmerchen und meiner Schwester Clio) diese Prüfungen aus erster Hand erlebt – und erfolgreich bestanden –, aber deshalb war ich noch lange nicht der Meinung, dass der Vorstand das Ganze richtig anpackte. Andererseits hatte mein Vater sich diesem rigorosen Verfahren unterzogen, um sich die Stelle als Jenseits-Chef zu sichern, und er hatte das Fegefeuer die letzten hundert Jahre lang mit einer Mischung aus Fairness und Strenge regiert, die ihm den Respekt aller Bewohner des Jenseits eingetragen hatte, von daher musste etwas an der Methode dran sein.
Da wir gerade bei meinem Vater sind: Genau genommen war es seine Idee gewesen, das Jenseits wie eine Firma aufzuziehen. Er hatte sein Menschenleben als Geschäftsmann gelebt und war zu dem Schluss gekommen, dass die gleichen Prinzipien sich auch auf die Abläufe im Fegefeuer und das Seelensammeln anwenden ließen. Er hatte die Gründung der Jenseits GmbH angeregt und seinen neuen Mitarbeitern damit neues Verantwortungsgefühl und einen gesunden Stolz auf ihre gute Arbeit vermittelt. Er hatte das antiquierte System neu strukturiert, sodass es anstelle eines Mischmaschs unterschiedlicher Grüppchen, die widerwillig zusammenarbeiteten, um die Seelen nach dem Tod sicherzustellen und durchs Jenseits zu geleiten, jetzt ein Unternehmen (gewissermaßen eine Gemeinschaft) gab, von der jeder ein Teil war und die harmonisch zusammenarbeitete.
Außerdem hatte er das Fegefeuer völlig neu gestaltet. Als er es übernommen hatte, war es nicht mehr als eine riesige Festung aus (unverwüstlichem) Schwefelstein gewesen, die von schierer Willenskraft zusammengehalten wurde. Es gab keine Büros, keine Verwaltungsstruktur – die einzige leitende Instanz war der Vorstand, der jedoch selten zu einer Sitzung zusammentrat, wenn es nicht gerade darum ging, die Nachfolge zu überwachen. Es gab so viele interne Querelen, dass in dem Getümmel manchmal Seelen verloren gingen.
All das hat mein Vater gesehen und beschlossen, dass es Zeit für Veränderungen war. Er richtete eine neue Befehlsstruktur im Fegefeuer ein, mit einem einzigen Exekutivvorstand – und ihm als Vorsitzenden und Vorstandschef –, der eine sehr viel größere Zahl berufener Vizevorsitzender und Direktoren beaufsichtigte. Jeder Kontinent hatte einen eigenen Vizevorsitzenden, und darunter kamen die Direktoren, die für die einzelnen Länder zuständig waren. Die Direktoren beaufsichtigten wiederum die örtlichen Abteilungsleiter, die ihrerseits mit den Schnittern und Transporteuren in Kontakt standen und im Prinzip dafür sorgten, dass das Todesgeschäft so glatt wie möglich lief.
Meine ältere Schwester Thalia war ein Vorstandsmitglied gewesen (und für eine Weile auch die Vizevorsitzende in Sachen Dahinscheiden), aber als ihr klar geworden war, dass sie noch so viel für die Firma leisten konnte und doch niemals in die höchstmögliche Position aufsteigen würde (in die der Präsidentin und Vorstandsvorsitzenden), war sie ein bisschen durchgedreht und hatte versucht meinen Dad von seinem Platz zu verdrängen -mithilfe des bösartigen Dämons Vritra, den sie während ihrer Zeit als Leiterin des Asienbüros der Jenseits GmbH heimlich geehelicht hatte. Ihr Plan war vereitelt worden, aber obwohl es sich nur um einen vereinzelten Vorfall handelte, fragte ich mich doch ernsthaft, ob das System einer Firmenhierarchie, wie mein Vater es eingerichtet hatte, ihn nicht für
Weitere Kostenlose Bücher