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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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ernsthaft für ein Handbuch der Alchimie interessiert hätte. Alchimisten waren, jedenfalls in Europa, die ersten, die etwas sehr entfernt mit der Chemie von heute Verwandtes praktizierten. Und all das geschah im Rahmen religiöser Rituale …«
    Die Kuratorin verstummte, als sie Janies unglücklichen Gesichtsausdruck wahrnahm. »Was ist los?« fragte sie.
    »Ich bin ein bißchen enttäuscht.«
    »Meine Güte, warum? Sie wollen immer noch einen unbegreiflichen Genius aus ihm machen. Vergessen Sie es. Das hier ist viel, viel aufregender.«
    »Nachdem ich sein Journal gelesen hatte, hatte ich den Eindruck, er sei brillant.«
    Myra seufzte über so viel Begriffsstutzigkeit. »Hebräisch, Französisch, Latein, Spanisch, von Englisch ganz zu schweigen, damals eine noch ziemlich unentwickelte Sprache – natürlich war er brillant! Die Übersetzungen, die auf seine folgen, sind nicht annähernd so genau. Er hat einen großen Teil des Anfangs übersetzt und dann anscheinend ziemlich abrupt damit aufgehört. Obwohl ich Ihnen sagen muß, daß ihm ein paar Fehler unterlaufen sind. Aber wenn ich darauf wetten sollte, würde ich sagen, er hat diese Fehler absichtlich hineingeschmuggelt. Es waren einfache Wörter, und an anderen Stellen hat er sie richtig übersetzt.«
    »So eine Nachlässigkeit paßt nicht zu ihm.«
    »Vielleicht stand er unter irgendeiner Art von Zwang und wollte nicht, daß die Erkenntnisse des Buches in falsche Hände gerieten.«
    »Das sieht ihm schon ähnlicher«, räumte Janie ein.
    Myra lächelte und schaute auf die Handschrift nieder. »Aber trotz der Fehler ist es faszinierend, was da steht.« Vorsichtig blätterte sie die Seiten zurück und las die Anrede laut vor. »Abraham der Jude, Priester, Levit, Astrologe und Philosoph, wünscht dem Volk der Juden, vom Zorne Gottes im Land der Gallier zerstreut, Gesundheit.« Sie strahlte vor Zufriedenheit. »Er hat es auf die Rückseite der Blätter geschrieben. Papyrus, es waren also wirkliche Blätter. Deshalb sind sie in einem so zerbrechlichen Zustand. Blätter sind dazu geschaffen, sich aufzulösen.«
    Diesmal schüttelte Janie ungläubig den Kopf. »Das ist zuviel.«
    »Da bin ich Ihrer Meinung. Der Mann kam herum.«
    »Ob er wollte oder nicht«, merkte Janie an. Mit etwas wie Sehnsucht schaute sie zwischen den beiden Bänden hin und her. »Ich bin von Alejandro Canches fasziniert, seit ich sein Journal das erste Mal gesehen habe.« Langsam und voll tiefem Respekt fuhr sie fort:
    »Wissen Sie, daß er im vierzehnten Jahrhundert Antikörper begriff und dieses Verständnis benutzte, um sich mit Hilfe jener alten Hebamme Sarah ein Heilmittel gegen die Pest auszudenken? Die Pest! Wenn jemand, der etwas zu sagen hatte, auf ihn gehört und nur ein paar einfache Anweisungen befolgt hätte – dann hätte der Schwarze Tod vielleicht nicht so lange gewütet, und Millionen wären am Leben geblieben. Aber vermutlich haben ihn alle für verrückt gehalten.« Sie starrte ausdruckslos auf ihre Füße nieder und sah dann verwirrt wieder auf. »Verrückt oder nicht, manchmal habe ich fast das Gefühl, diesen Mann zu lieben. Über all die Jahrhunderte hinweg. Keine romantische Liebe, nur dieses tiefe, wunderbare Staunen, wie man es etwa bei einem Kind empfindet.«
    Myras Gesichtsausdruck wurde wärmer. »Dann erkläre ich Sie hiermit offiziell zur Jüdischen Mutter ehrenhalber«, sagte sie.
    »Jetzt können Sie zu Recht sagen: ›Und das ist mein Sohn, der Arzt …‹«
    Endlich lachte Janie. »Ich fühle mich geehrt. Wahrhaftig. Also, von einer jüdischen Mutter zur anderen, was bedeutet das alles?«
    »Es bedeutet, daß Ihr Schriftstück viel mehr wert ist, als ich ursprünglich dachte. Und ich spreche nicht nur von Geld.«

    Die Nachricht vom potentiellen Wert des Journals war nicht sonderlich verstörend – aber von ein neuer Gast in Janies Gedankenhotel, und dieser Gast würde bald Zimmerservice verlangen.
    Als Janie sich an diesem Nachmittag vor Virtual Memorial setzte, erwartete sie eine weitere Überraschung. Eine Auswertung, die sie am Vormittag in Gang gesetzt hatte, war beendet, die Ergebnisse blinkten.
    Sie wußte, in der Sekunde, in der sie diese Datei öffnete, würde sie von ihr Besitz ergreifen.
    »Neulich habe ich gelogen«, sagte sie am Telefon zu Tom. »Ich muß doch reden.«
    »Nun, weißt du was? Ich glaube, du solltest auf Wanderschaft gehen.«
    Oje! Sie schob eine lose Haarsträhne hinter ihr Ohr und biß sich auf die Lippe. Sie war dankbar, daß

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