Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
es gelungen, durch sogenannten stillen Erwerb den Rest zu beschaffen.«
»Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, daß es hier in der Umgebung ein paar städtische Beamte mit sehr anständigen Pensionskonten gab. Jedesmal, wenn jemand krank wurde oder starb oder ein Grundstück zum Verkauf stand, wurde ich benachrichtigt.«
»Und woher kam das Geld für all das?«
»Ich habe eine Reihe ziemlich eindrucksvoller Klagen gewonnen.« Freundlich betonte er: »In aller Stille.«
»Aber sechshundert Morgen – das ist eine kleine Stadt.«
»Manchmal fühlt es sich so an.«
»Soll ich dich mit Herr Bürgermeister anreden?«
»Nein«, lachte er. »Nicht mich. Ich hoffe, der Komplex hier wird nie so groß, daß wir eine Regierung brauchen. Die Versammlungen sind schon heikel genug.«
»Na ja«, sagte sie, »daran bist du selbst schuld, zusammen mit Sandhaus …«
»Weißt du was? Er ist erstaunlich. Die Leute, die er kennt, die Dinge, die er bewirken kann … ohne ihn hätten wir das nicht auf die Beine stellen können. Und überraschenderweise ist er ziemlich vernünftig. Einige von unseren Diskussionen verlaufen recht lebhaft, und er ist immer mittendrin – macht aber keine unnötigen Schwierigkeiten.«
Er ließ einen Moment vergehen und fügte dann hinzu: »Die Problematischste ist eigentlich Kristina. Wenn wir als Gruppe Entscheidungen treffen, redet sie immer ziemlich viel. Ich glaube, das ist ihre jugendliche Vorstellung, sie könnte die Welt verändern – alle haben wir irgendwann mal so gedacht. Bei ihr fällt das in schwierige Zeiten, und deswegen ist sie recht enthusiastisch. Manchmal braucht es lange, ihr Dinge so zu erklären, daß sie sie wirklich versteht.«
Janie blieb stehen und faßte ihn am Arm. »Ich weiß, daß du sie kennst – über all das hinaus, meine ich.«
Er sah ihr direkt in die Augen. »Wieso denkst du das?«
Sie zog das Bonbonpapier aus der Tasche, hielt es auf der offenen Handfläche, und er sah es sich an.
»Das hier«, eröffnete sie ihm. »Ich habe es unter dem Bett im Gästezimmer gefunden. Bei ihr ist das wie ein Fingerabdruck. Sie hinterläßt die Dinger überall.«
In der Pause, die folgte, sah Janie, wie Toms Ausdruck weicher und dann traurig wurde. Er schien einen Moment weit weg zu sein, ehe er sprach. »Du hast recht«, gestand er. »Ich kenne sie.«
Dann schwieg er und überließ es Janie, auf eine Erklärung zu dringen. »Möchtest du dich näher dazu äußern?« fragte sie steif.
»Ich werde dir alles berichten; aber es ist eine lange Geschichte, und ich möchte mir überlegen, was ich sage, bevor ich damit beginne. Im Augenblick muß dir genügen, daß ich ihrer Mutter versprochen habe, mich um sie zu kümmern.«
»Ihrer Mutter – also Kristina ist doch nicht, eh … eh, deine …«
Er sah sie hart an. »Meine, eh – was? «
»Oh, ich weiß nicht, Freundin, schätze ich.«
»Janie! Wie kannst du so etwas auch nur denken?«
»Na ja, du hast eure Beziehung völlig vor mir geheimgehalten – warum solltest du das tun, wenn alles ganz harmlos ist?«
»Okay, ich habe es geheimgehalten. Aber das bedeutet nicht, daß sie das ist, was du dir anscheinend zusammenreimst.«
Nach dieser strengen Erklärung schwieg Janie für eine Weile.
»Ist ihre Mutter tot?« fragte sie endlich.
Tom seufzte. »Ja.«
»Du kanntest ihre Mutter – gut?«
»Ja. Sehr gut.« Er nahm Janies Hand in seine und ging mit ihr auf das Hauptgebäude zu. »Es wird spät.«
Sie beschloß, nicht weiter in ihn zu dringen, und folgte ihm.
»Allerdings. Sehr spät. Ich weiß nicht, wieso ich noch wach bin … muß das Adrenalin sein …«
»Wenn du Hunger hast, stöbere einfach in der Küche herum, bis du findest, was du magst. Es gibt dort ein paar unglaubliche Früchte und Gemüse. Ich könnte uns auch was kochen.«
»Nein, danke, du brauchst dir meinetwegen keine Umstände zu machen. Ich bin sowieso zu müde, um noch zu essen. Jetzt ist Abschalten angesagt!«
Er ging langsamer und blieb dann wieder auf dem Weg stehen. Irgendwie schien die drückende Außenluft in seiner Gegenwart weniger bedrohlich. »Soll ich dir dabei helfen?« erkundigte er sich.
»Ich bin selbst auch ziemlich abgespannt.« Er zog sie näher zu sich, legte die Arme um sie und flüsterte ihr ins Ohr: »In meinem Badezimmer gibt es eine große Wanne.«
Sie zögerte. »Was werden die anderen denken?«
»Was immer sie wollen. Im Augenblick interessieren die anderen mich nicht. Nur du und ich.«
»Und was ist mit
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