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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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nicht, was es ist.«
    Michaels Miene verriet Unruhe. »Heute morgen war er in Ordnung – ich habe den Zeh gesehen, als sie ihn gewaschen hat.«
    »Nun, heute morgen mag das gestimmt haben, aber jetzt stimmt es nicht mehr. Meinst du, daß du sie überreden kannst mitzugehen, ohne dies zu erwähnen? Ich möchte ihr keine Angst machen, ehe ich nicht sicher bin.«
    »Aber wenn es MR SAM ist, werden sie sie im Camp nicht akzeptieren.«
    Sie wußte, daß er recht hatte. Genau dieser Gedanke quälte sie so, daß sie ihn am liebsten nicht wahrhaben wollte. »Laß das meine Sorge sein«, zerstreute sie seine Bedenken. »Offensichtlich wehrt sie ab, was immer da ist – sie fühlt sich ein bißchen warm an, und das ist eigentlich ein gutes Zeichen. Manche Leute behaupten, das Immunsystem arbeite während der Schwangerschaft intensiver, und das scheint mir einleuchtend. Aber wir müssen schnell handeln. Ich brauche dir nicht zu sagen, daß es nur eine Frage von Stunden sein könnte, bis …«
    »Nein, das Weitere kannst du dir sparen.« Er stand auf, ging ein paar Minuten auf und ab, und rieb sich mit einer Hand das Kinn.
    »Du weißt ja, ich wäre ein Geächteter, wenn wir es täten. Das könnte es wert sein, wenn ich wüßte, daß Caroline okay sein wird – aber du gibst anscheinend auch keine Garantien.«
    Janie ließ den Kopf sinken und schwieg ein Weilchen. »Wir werden alle Geächtete sein. Ich werde sehr lange Zeit nicht mehr als Ärztin arbeiten können, wenn überhaupt je wieder. Und es gibt keine Garantien dafür, daß irgendeiner von uns es unbeschadet übersteht.«
    Ohne nachzudenken, schaute Michael in Richtung Küche, wo Caroline noch am Tisch saß.
    »Du brauchst nicht mitzumachen«, beteuerte Janie, »wenn du es vorziehst, draußen zu bleiben …«
    »Und meine Frau zu verlieren? Oder das Kind? Sollte jemand dahinterkommen, bringen sie sie weg. Und ich weiß, was mit den Leuten passiert, die weggebracht werden.«
    »Vielleicht ist es bloß ihr Zeh, der sich aufspielt … und alles ganz einfach. Falls es sich jedoch um MR SAM handelt, na ja, ich schätze …«
    Sie hätte gern gesagt: »… dann wird er durch irgend etwas in Schach gehalten.« Aber das schien hochfliegend. Statt dessen schloß sie: »Sie könnte ihn besiegen.«
    »Weniger als zwei Prozent tun das.«
    »Caroline hat die Beulenpest überlebt, Michael, sie ist sehr zäh. Und damals hatte sie längst nicht so viel Grund, am Leben zu bleiben wie jetzt.«
    Er seufzte müde und resigniert. »Dann gehe ich und rede mit ihr.«
    Janie schaute auf die Wanduhr. »Aber mach schnell.«
    Er schleppte sich zur Tür.
    »Und, Michael …«, schickte Janie ihm nach.
    Sein Gesichtsausdruck, als er sich umdrehte, war schiere Trauer.
    »Sag nichts über ihren Zeh – bitte – noch nicht.«
    Das letzte, was Janie tat, bevor sie abfuhren, war, Carolines Finger und Zeh in undurchlässige Biosafe-Verbände zu wickeln. Am Ende stieg Michael, als alles andere fertig war und seine gesamte Ausrüstung im Kofferraum von Janies Volvo lag, als der fällige Tribut in seinen Overall.
    Man weiß ja nie, wozu er auf der Fahrt nützlich sein könnte.
    Als er die Tür des Hauses schloß, den Helm noch unter dem Arm, warf er noch einen Blick auf die Dinge ringsum, die er und Caroline in ihrer kurzen, aber glücklichen Ehe angesammelt hatten. Mit einem vagen Gefühl der Zerknirschung erkannte er, wie überflüssig alles erschien, wenn jedem wieder jederzeit die Stunde schlagen konnte.

KAPITEL 35
    Was de Chauliac sah, als er der Demonstration der größten neuen Weisheit seines Lebens zuschaute, war nicht die sichere Arbeit eines Meisters der Wissenschaft, sondern statt dessen die hektische, unsicher wirkende Behandlung eines kleinen, erschrockenen Kindes, dessen Tod wahrscheinlicher war als sein Überleben, durch einen knochendürren Juden. An seiner Seite wirkte eine junge Frau mit, eine Witwe von noch nicht zwanzig Jahren, deren Leid schon jetzt alle Vorstellungen überstieg und nur noch schlimmer werden konnte. Und obwohl das Kind, das sie behandelten, die junge Frau unter anderen Umständen »Tante« genannt hätte, bestand für diese beiden Helfer keine familiäre Verpflichtung, den verängstigten Jungen von der Pest zu befreien. Der Franzose wußte, daß Alejandros Schuldgefühle, weil er die junge Gräfin getäuscht hatte, unmöglich ausreichen konnten, sich für ihren kranken Sohn derartig einzusetzen. Das konnte nur die unbegreifliche Ehre dieses Mannes sein, die Liebe, die

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