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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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ausgeruht hatte, und sei es nur kurz. Ihr kräftiges Zerren überraschte Karle, und er blieb so abrupt stehen, daß sie gegen ihn prallte. Sie stolperten und lehnten keuchend ein paar Augenblicke aneinander, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann fielen sie auf die Knie, sich noch immer gegenseitig stützend, und saugten tief den warmen nach Fichtennadeln duftenden Waldbodengeruch ein.
    Der Mann, der in einer Staubwolke von seinem Pferd sprang, würde König von Frankreich werden, wenn alles nach seinem Plan verlief, oder, wie er gern manchmal vor Grimm brüllte, »wenn meine Mutter bloß ein Mann gewesen wäre!«. Doch seine Mutter, die Tochter von Ludwig X., war in das Bergreich von Navarra abgeschoben worden, als dessen König sich Charles jetzt bezeichnen durfte – ein Reich, das viel zu unbedeutend und entlegen war, um seinen grandiosen Ehrgeiz zu befriedigen.
    Er war ein kleingewachsener Mann, aber dennoch furchtlos, und immer umgab ihn eine Aura von Verderbtheit, als hege er irgendeinen unausgegorenen Vorsatz, der zu nichts Gutem führen konnte. Als er zum erstenmal hörte, daß man ihn Charles den Bösen nannte, hatte der junge König von Navarra angeblich gelächelt. Sollen sie mich doch für böse halten, hatte er entzückt gerufen, sollen sie mich doch fürchten! Das würde ihm nur helfen, seine Ziele zu erreichen. Wenn der übrige Adel ihn schwach und verwundbar glaubte, konnte er nichts ausrichten!
    Der böse Eindringling stieß die Tür auf und schlenderte in die kleine Steinhütte, das Schwert gezogen und bereit. Seine Haltung war angemessen königlich. Er ließ den jungen Ritter, der ihn begleitete, natürlich nicht als ersten eintreten, um festzustellen, ob die Hütte leer war. Nach einem schnellen, abschätzenden Blick auf den Verwundeten am Tisch sah Charles von Navarra sich flüchtig im Rest des kleinen Raumes um und stocherte hier und da mit der Spitze seines Schwertes umher, bis er sich davon überzeugt hatte, daß sich sonst niemand in der Hütte befand.
    Er trat an den Tisch und stand über dem erschrockenen Franzosen. Verächtlich schaute er auf ihn herab. »So, so, nun schaut Euch das an«, rief er über die Schulter seinem Gefährten zu. »Anscheinend hat Karle mir etwas zu tun hinterlassen. Und er hat die Arbeit bereits für mich begonnen. Ich sollte bestraft werden, weil ich ihn für kleinlich gehalten habe.« Mit der Spitze seines Schwertes stocherte er an dem nässenden Stumpf herum, und der Amputierte schrie vor Schmerz auf. »Obwohl ich zugebe, ein ganzer Bauer wäre mir lieber gewesen, damit man ihn foltern kann, bis er verrät, wohin Karle gegangen ist.«
    »Schwein«, zischte der Verlorene herausfordernd.
    Navarra stocherte erneut mit dem Schwert, und der Mann stieß vor Qual blubbernd die Luft aus. Der kleinwüchsige Edelmann beugte sich über den verwundeten Soldaten und schnupperte. »Ihr stinkt nach Angst, Monsieur Jacques! Ich glaube, sie steckt in Eurer Hose.« Er lächelte boshaft. »Mich braucht Ihr nicht zu fürchten. Ich bin ein Mann von großem Mitgefühl und Barmherzigkeit. Sagt mir, was Ihr wißt, und ich werde für Eure Bequemlichkeit sorgen.«
    »Ich weiß nichts …« Es war nur noch ein Röcheln.
    »Ach, kommt schon! Haltet Ihr mich für dumm? Selbst les Jacques ziehen nicht ohne Fluchtplan in die Schlacht. Oder war der Hurensohn Karle so arrogant wie der Rest seines picardischen Gesindels und hat gedacht, er brauche keinen solchen Plan?«
    Alejandro konnte durch die strohbedeckte Diele das Schluchzen des Mannes hören. »Nichts …«
    »Ha? Nichts?« hörte er Navarra schnarren. »Überhaupt nichts? Nun, dann verrate ich Euch etwas. Ihr werdet nicht mehr das Vergnügen haben, Euch selbst am Arsch zu kratzen!«
    Das Schwert sauste durch die Luft, und dann barsten Knochen, als es den verbliebenen Arm des Mannes abtrennte. Die feine Metallklinge läutete wie eine Glocke, als sie auf das Holz des Tisches prallte. Alejandros Patient stieß ein langes, markerschütterndes Geheul aus und verstummte dann.
    Charles von Navarra zog den Ärmel von dem abgeschlagenen Arm und benutzte ihn, um das Blut von seinem Schwert zu wischen. Dann stieß er die scharfe Waffe heftig in das Strohlager und fluchte gotteslästerlich. Alejandro, der die Worte in seinem unterirdischen Versteck gedämpft mitbekam, war sicher, daß die Chancen des Königs, in den christlichen Himmel aufgenommen zu werden, sich mit dieser einen Äußerung gewaltig verringerten.
    Die Spitze des Schwertes

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