Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Zögernd trat sie vor und streckte die Hand aus. »Ich habe mich darauf gefreut, Sie kennenzulernen.«
Janie war noch nicht bereit, dieser Unbekannten die Hand zu reichen. Sie wich einen Schritt zurück und zog ihren Morgenrock enger um sich.
Warger. Sehr schlau.
»Wargirl«, korrigierte sie.
Kristina lächelte sanft. »Das bin ich.«
» Was treiben Sie in meiner Küche?«
Als sei sie von Janies Frage überrascht, wies Kristina unschuldig auf den Teller und den Becher: »Ich habe Ihnen Frühstück gemacht. Ich dachte, Sie würden hungrig sein.« Dann wies sie mit dem Kopf auf das Wohnzimmer. »Und ich dachte, ich könnte ein bißchen aufräumen. Ich wollte Sie gerade wecken, weil ich bei manchen Sachen nicht weiß, wohin sie gehören, und die Pfannkuchen wären …«
»Hören Sie auf. Hören Sie bloß auf!« Vor ihrem inneren Auge sah Janie, wie sie aufwachte und diese Fremde vor ihr stand. Es war kein Trost, daß Kristina Warger so – jung wirkte. »Ich muß wissen, wie Sie hier hereingekommen sind!«
»Ich hab’s an der Tür versucht. Sie war nicht abgeschlossen.«
Nicht abgeschlossen? dachte Janie. Das war unmöglich. Tom war zu vorsichtig, um sie unverschlossen zu lassen.
Sie wartete einen Moment. Dann kniff sie argwöhnisch die Augen zusammen. »Hat Tom Sie geschickt?« fragte sie.
»Welcher Tom?«
Sie war mit einem Bärenhunger aufgewacht, doch jetzt war Janie von den Ereignissen des Morgens so überrumpelt, daß sie die Pfannkuchen kaum herunterbekam, obwohl sie köstlich schmeckten. Toms Nachricht mit ihrer verführerischen Doppeldeutigkeit trat in den Hintergrund bei dem Frage-und-Antwort-Spiel, das nun mit Kristina Warger ablief.
»Camp Meir«, eröffnete Kristina ihr schließlich. »Deswegen bin ich hier. Sie sind bei Ihren Ermittlungen auf einen Nerv gestoßen. Das erforderte eine – Reaktion. «
»Aber – hat jemand Sie geschickt, oder kommen Sie aus eigenem Antrieb?«
»Oh, ich wurde geschickt.« Sie trank von ihrem Kaffee und lächelte dann.
»Von wem?«
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Natürlich!«
»Also, es tut mir leid – ich kann im Moment noch nicht sagen, wer mein Chef ist. Zuerst muß ich ein paar Dinge in Erfahrung bringen. Von Ihnen.«
Janie starrte ihre anmaßende Besucherin wütend an. Verdammt gewagt, dachte sie. Aber Betsy hatte einen ähnlichen Charakter besessen. »Wenn Sie von meinen Ermittlungen in dem Lager wissen, dann müssen Sie mich schon seit einer geraumen Weile beobachten.«
»Eigentlich nicht. Im Grunde haben Sie uns gefunden. Sie haben einen Köder aus dem Internet geschluckt. Dem sind wir bloß gefolgt.«
»Ich bin sicher, daß sich eine Menge Leute diese Website anschauen.«
»Sie sind die einzige, die kein Kind hat.«
Janie brauchte einen Augenblick, bis sie den Stich verarbeitet hatte, den diese Bemerkung ihr versetzte. Dann sagte sie: »Ach, kommen Sie schon – bestimmt sind auch andere, nicht unmittelbar betroffene Leute darüber gestolpert.«
»Ja, sind sie, haben sich ein bißchen umgesehen und sich dann wieder verabschiedet. Aber Sie haben sich eine ganze Weile damit befaßt – ja, sogar eine Seite ausgedruckt.«
Janie spürte, wie ihr Blutdruck stieg. »Also verfolgen Sie intensiv meine Computeraktivitäten – schätzungsweise wissen Sie bereits allerhand über mich.«
»Einiges. Was man eben auf diesem Wege erfahren kann. Computer haben ihre Grenzen, wissen Sie. Mich interessiert noch immer, wie Sie CampMeir überhaupt entdeckt haben.«
»Entdeckt? Ich habe es nicht entdeckt. Jemand hat mir davon erzählt. Ich habe mich nur dafür interessiert, weil ich für einen Jungen arbeite, der da mal gewesen ist.«
Auf Kristinas Gesicht erschien so etwas wie eine Erkenntnis, und vorübergehend erwartete Janie, sie den Namen Abraham Prives aussprechen zu hören. Aber sie wurde enttäuscht. Kristina sagte nur: »Sie haben die Seite von dem Jungen im Rollstuhl ausgedruckt. Wir wissen aus Ihrer Zusammenfassung …«
»Moment – Sie sagen dauernd ›wir‹. Wer ist wir? «
Kristina Warger war offenbar nicht gewohnt, unterbrochen zu werden, und es schien ihr nicht zu gefallen. »Gleich«, reagierte sie leicht gereizt. »Ich möchte nicht den Faden verlieren. Wie ich schon sagte, wir wissen aus Ihrer Zusammenfassung und anderen Arbeiten von Ihnen, die wir bekommen haben, daß Sie eine sehr intelligente Frau sind. Außerdem sind Sie eine gründliche Wissenschaftlerin, die scharf beobachtet. Ihre Arbeit in der Neurochirurgie war
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