Beobachte mich!
die Strecke mit dem Bus fahren konnte.
Sie stand vor einem großen Jugendstilhaus, dessen Balkon mit einem spitzen Erker überbaut war. Wild wuchernde Blumen, die fast verwelkt waren, säumten den Weg zur Tür. Jana trat drei Stufen nach oben und las auf dem Klingelschild Hildegard Bertram . Was für ein altmodischer N a me. Hoffentlich war die Cousine keine alte Schachtel, die wirklich eine Putzfrau brauchte. Gespannt wartete sie, bis sich die Tür öffnete.
Vor ihr stand ein regelrechtes Weibsbild, um mindestens zwanzig Zentimeter größer als sie.
„Hallo, ich bin Jana“, stellte sie sich vor, lächelte veru n sichert und fühlte sich klein.
„Komm rein, Kindchen. Ich habe dich bestellt.“
Das klang, als hätte die Frau einen Artikel per Katalog liefern lassen.
„Möchtest du etwas trinken, einen Kaffee vielleicht?“, fragte die große Tante.
Sie hatte männliche, breite Schultern und war übe r haupt gut bemuskelt. Sie ähnelte ihrem Cousin, Doktor Bertram. Jana schätzte ihr Alter auf etwa vierzig. Sie trug ihre kurz geschnittenen Haare peppig aufgestylt. Eine blaue Haarsträhne verriet eine gewisse Verrücktheit. E i gentlich sah sie für ihr Alter noch gut aus. Eine Lesbe hatte Kristian vermutet, wahrscheinlich lag er damit ric h tig. Hildegard sah ein bisschen wie eine Kampflesbe aus.
Jana lächelte. „Gern.“
Die Cousine des Doktors drehte sich um und holte den Kaffee aus der Küche. Mit klapperndem Tablett kam sie zurück.
„Zucker zum Kaffee?“, fragte das mächtige Weib mit tiefer Stimme.
Jana fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, für Hi l degard putzen zu müssen. Aber Termin war Termin und Verdienst war Verdienst. Wenn Jana durch diese Situation um eine Erfahrung reifer würde, wäre das in Ordnung. Sie nickte.
„Ich habe eine Spezialaufgabe für dich.“
„Ich bin gespannt. Was kann ich für Sie tun?“
„Hinten im kleinen Nebenzimmer hängt ein großer Lüster von der Decke.“
„Was mache ich mit meinen Sachen? Dem Minirock und dem Schürzchen? Mir scheint, die habe ich umsonst mitgenommen.“
„Nein, zieh dich um, Kindchen. Du wirst es brauchen.“
Jana stand auf und ging ein paar Schritte auf eine hohe Palme zu, die in einem großen Pflanzgefäß mitten im Raum stand. Daneben stand eine winzige hölzerne Sit z bank.
„Kann ich meine Sachen hier ablegen?“
„Ja, zieh dich um, ich muss noch kurz in das Nebenzimmer, sehen, ob alles in Ordnung ist. Doktorchen will seine Kumpels überraschen.“
Jana ahnte erst jetzt, dass sie für einen Überraschungsbesuch bei Hildegard bestellt worden war. Doktor Bertram hatte sie zu seiner Cousine gelockt, ohne ihr Bescheid zu geben.
„Er hat seine Verabredung für heute Abend nicht ei n halten können und mich gebeten, dich als Überr a schungsgast einzuladen.“
Dann stampfte sie unelegant davon. Jana begann, ihre Kleidung abzustreifen und legte ihr sexy Putzoutfit an. Dann stöckelte sie auf den hohen Pumps zurück an den Platz, wo sie vorher gesessen hatte. Ihr Minikleidchen wippte bei jedem Schritt in die Höhe. Sie hörte eine männliche Stimme, oder waren es zwei? Die Laute dra n gen aus der Richtung, in die Hildegard gegangen war.
„Bist du so weit , Jana?“, rief sie dröhnend durch das Wohnzimmer.
„Ich komme“, antwortete sie und ging auf das Hinte r zimmer zu. Sah aus, als wenn es sich in dem Erker b e fand, den sie von außen gesehen hatte. Es roch nach Z i garettenqualm. Sie hörte drei Männer, die sich unterhie l ten und dann klatschte etwas auf den Tisch, der rechts neben der Tür stand. Eine Faust schlug auf die Tischpla t te und j e mand schimpfte:
„Du bist ein Betrüger!“
Jana ging näher und lugte erst vorsichtig durch den schmalen Türspalt. Sie sah, wie drei Männer Karten spie l ten. Ve r mutlich Skat. In der Mitte des riesigen Tisches lagen Geldscheine. Zwei der drei Männer stritten darum, dass nicht korrekt gespielt wurde. Einer von ihnen hatte eine Glatze, die im diffusen Licht glänzte. Jana schob die Tür weiter auf. Zigarettenqualm quoll ihr entgegen. Die beiden Streitenden hielten in der rechten Hand einen Kartenfächer und in der Linken eine Zigarette. Der Dritte im Bunde rauchte nicht, dafür legte er seine Karten fein sä u berlich in eine Reihe.
„Schaut her!“
Die Kampfhähne sahen auf den Tisch und staunten .
„ Ich habe alle Buben.“
Die Männer klopften mit den Fingerknöcheln Applaus auf die Tischplatte.
„Siehst du, ich habe nicht beschissen, er hat sie
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