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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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wusste, dass er recht hatte. Ob der Schatten , den sie gesehen hatte, ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen war oder nicht – es war nicht gut, wenn sie allein war. Sie ahnte, wie ihre Nacht aussehen würde und alle folgenden Nächte: Sie würde nicht schlafen können. Das Licht brennen lassen. Mit angehaltenem Atem auf jedes Geräusch im Haus lauschen. Bei jedem Knarren aufrecht im Bett sitzen.
    Sie hatte es gerade erlebt: Ihre Nerven hielten die Situation nicht aus.
    »Ich überlege mir etwas«, versprach sie.
    3
    Er war völlig durchfroren, als er nach Hause kam, obwohl er während der Rückfahrt die Heizung im Auto in voller Stärke hatte laufen lassen. Er war zu lange durch den Schnee gestapft, hatte sich zu lange bei eisiger Kälte im Freien herumgetrieben. Nichts schien mehr gegen den Zustand der völligen Auskühlung helfen zu können. Eine lange, heiße Dusche vielleicht. Er hoffte es.
    Liza Stanford war nicht zu sehen gewesen. John hatte die Schule und die ihr angeschlossene Sporthalle zunächst im Auto sitzend beobachtet, aber schließlich war ihm der Radius, den er damit abdecken konnte, zu klein erschienen. Er war ausgestiegen, hatte sich den Nachmittag über auf dem gesamten Schulgelände und vor allem um die Sportanlagen herumgetrieben, ständig natürlich auf der Hut, nicht übermäßig dabei aufzufallen. Ein erwachsener Mann, der scheinbar ziellos in der Nähe minderjähriger Schüler herumlungerte, konnte in schlimmsten Verdacht geraten. Das bedeutete, dass er ständig seinen Beobachtungsposten wechseln musste, was ihm immerhin ein wenig Bewegung brachte. Dennoch waren schließlich Kälte und Feuchtigkeit die Stiefel hindurch seine Beine hinaufgekrochen, hatten sich über den ganzen Körper ausgebreitet und sich in seinen Knochen eingenistet, und irgendwann hatte er es nur noch satt gehabt. Er begann, seinem eigenen Plan zutiefst zu misstrauen – wer sagte ihm denn, dass Liza überhaupt irgendein Interesse an ihrem Sohn hatte? Und wenn ja, dass sie es auf diese Weise befriedigen würde, indem sie versuchte, im Zusammenhang mit seinen außerschulischen Aktivitäten einen Blick auf ihn zu werfen? Wer sagte ihm, dass sie noch lebte? Vielleicht wartete er auf ein Phantom, während er wie ein pädophiler Triebtäter um eine Schule herumschlich und vor Kälte schlotterte.
    Nachdem er irgendwann zu fortgeschrittener Stunde Finley Stanford aus der Turnhalle hatte kommen und in Richtung Bushaltestelle verschwinden sehen, ohne dass auch nur ein Schatten seiner Mutter irgendwo zu erspähen gewesen wäre, beschloss er, aufzugeben. Für immer. Das Ganze war nicht seine Angelegenheit. Sollte die Polizei die Geschichte aufklären. Für ihn war mit dem heutigen Nachmittag Schluss.
    Er fühlte sich fast von einer Last befreit, als er daheim die Haustür aufschloss und die Treppen zu seiner Wohnung hinauflief. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, um warm zu werden. Sich von dem Fall zu verabschieden hieß auch, sich von Gillian zu lösen. Was ihm unbedingt gelingen musste. Er war nicht der Mann, der über Jahre von einer unerreichbaren Frau träumte, so wie Peter Fielder, der sich mit seiner Sehnsucht nach Christy McMarrow lächerlich machte.
    Aus. Schluss. Vorbei.
    Er blieb abrupt stehen, als er eine Gestalt bemerkte, die auf dem Treppenabsatz vor seiner Wohnung kauerte. Samson Segal blickte ihn aus weit aufgerissenen, angsterfüllten Augen an.
    »Endlich«, sagte er.
    Er war der Letzte, den John hier anzutreffen erwartet hätte, im Grunde auch der Letzte, den er jetzt am Hals haben wollte. Wobei er eigentlich niemanden an diesem Abend um sich haben mochte. Er sehnte sich nach einer heißen Dusche, einem doppelten Whisky und nach völliger Ruhe.
    »Samson!«, sagte er überrascht. »Wie sind Sie hier reingekommen?«
    Samson erhob sich unsicher. John fiel auf, wie ausgemergelt seine Gestalt wirkte. Er hatte seit ihrer ersten Begegnung in jener Pension, die noch nicht lange zurücklag, rapide an Gewicht verloren. Es schien ihm richtig dreckig zu gehen.
    »Ein Nachbar von Ihnen hier aus dem Haus hat mich reingelassen. Ich saß im Hauseingang unten und habe mich fast zu Tode gezittert, und er hatte Mitleid. Ich habe gesagt, ich sei einer Ihrer Mitarbeiter und müsse mit Ihnen reden.«
    »Verstehe.« John begriff, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als Segal in die Wohnung zu bitten. »Kommen Sie. Das Treppenhaus ist ja auch ganz schön kalt. Sie müssen fast erfroren sein.«
    Samson nickte. »Es … geht mir

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