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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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gewollt. Jetzt beschloss sie, heimzufahren und sich in die Badewanne zu legen.
    Und eine schöne Flasche Rotwein zu öffnen.

FREITAG, 15. JANUAR
    1
    Es war fast halb eins in der Nacht, als er sich verabschiedete. Sie stand am Fenster, blickte hinunter und sah ihn im Schein der Laternen die Straße entlanggehen. Sie hätte sich gewünscht, er wäre noch geblieben, aber sie hatte nicht gewagt, ihn darum zu bitten. Sie hatte sich sicherer gefühlt in seiner Nähe. John Burton war jemand, der sich nicht einschüchtern oder verunsichern ließ, und er war in der Lage, sich seiner Haut zu wehren.
    Trotzdem wusste sie nicht, ob sie ihm trauen konnte. Bis zuletzt hatte sie seine Rolle in dem ganzen Spiel nicht völlig begriffen – in diesem Spiel, das alles andere als ein Spiel war. Er hatte sich einen privaten Ermittler genannt, aber sie hatte gespürt, dass sie über diese Information hinaus nichts aus ihm würde herausbekommen können. Er sagte genau so viel, wie er sagen wollte. Mit Sicherheit nicht einen halben Satz mehr.
    Vielleicht ging er schnurstracks zur Polizei und verriet ihren Aufenthaltsort. Vielleicht glaubte er sogar, ihr damit zu helfen.
    Obwohl er eigentlich nicht naiv wirkte.
    Er war verschwunden, und sie wandte sich vom Fenster ab, zog die Vorhänge zu. Die Wohnung kam ihr nicht mehr wie ein Versteck vor, das Gefühl, einen Rückzugsort gefunden zu haben, der sie vor der Welt schützte, hatte sich von einem Augenblick zum anderen aufgelöst. John Burton hatte sie gefunden. Das bedeutete, jeder konnte sie finden.
    Sie musste sich so rasch wie möglich eine andere Bleibe suchen.
    Sie setzte sich an ihren Esstisch, schenkte sich noch einen Kaffee ein. Sie hatte mehrere Kannen gekocht, den ganzen langen Abend über, während sie John Burton, diesem wildfremden Mann, die Geschichte ihres Martyriums erzählt hatte. Die psychischen Erniedrigungen, mit denen es angefangen hatte. Die Zwanghaftigkeit, mit der er sie kontrolliert hatte. Die Jahre, in denen es noch nicht zu Tätlichkeiten gekommen war, in denen sie aber zunehmend das Gefühl gehabt hatte, nicht mehr atmen zu können. In denen sie über jeden Schritt, jeden Handgriff, geradezu über jeden Gedanken hatte Rechenschaft ablegen müssen.
    »Es gab nichts, was ich entscheiden durfte. Nicht unsere Möbel, nicht unsere Vorhänge, nicht unsere Teppiche oder die Bilder an den Wänden. Nicht das Geschirr, von dem wir aßen, nicht die Blumen, die wir im Garten pflanzten. Nicht die Bücher, die in den Regalen standen. Nicht die Kleider, die ich trug, nicht meine Unterwäsche, nicht meine Kosmetik, nicht meinen Schmuck. Nicht unsere Autos. Nichts. Absolut nichts. Er ist perfektionistisch, krankhaft, und alles, wirklich alles, muss in sein Bild des perfekten Hauses, des perfekten Gartens, der perfekten Ehefrau, des perfekten Lebens passen.«
    Er hatte ihr die Frage gestellt, die zwangsläufig kommen musste: »Weshalb haben Sie ihn nicht verlassen?«
    Und sie hatte leise geantwortet: »Männer wie er tun vor allem eines, noch vor allem anderen, und sie tun es fast unmerklich: Sie rauben ihren Opfern jedes Selbstvertrauen. Sie zerstören die Seelen. Plötzlich hat man nicht mehr die Kraft zu gehen. Man glaubt nicht mehr an sich. Man glaubt nicht mehr, dass man irgendetwas im Leben bewältigen kann. Man hält sich an seinem eigenen Peiniger fest, weil er einen zunächst zerstört und einem danach überzeugend eingeredet hat, dass man ohne ihn nicht existieren kann.«
    John hatte genickt. Sie war dankbar, dass er nicht mit irgendeiner Plattitüde reagierte in der Art: Aber eine attraktive Frau wie Sie hätte doch sofort wieder jemanden gefunden.
    Sie hatte den Eindruck, dass er verstand, was ihr Mann aus ihrer Seele gemacht hatte.
    »Wann«, fragte John schließlich, »fing er an, Sie zu schlagen?« Er schien zu wissen, dass es irgendwann dazu gekommen war. Er kannte die Abläufe.
    Sie wusste es noch genau. »Nachdem Fin auf der Welt war. Er kam nicht damit zurecht, dass es nun noch einen anderen Menschen für mich gab. Mein Kind. Ein Kind zu haben gibt Kraft. Ich fühlte mich stärker, als Finley geboren wurde. Ich denke nicht, dass ich mich in meinem Verhalten verändert habe, aber vielleicht strahlte ich es aus … etwas mehr innere Ruhe, Glück. Die Liebe zu diesem kleinen Geschöpf. Er konnte mich mit seiner sadistischen Art, mit seinen Kontrollen, seinen Angriffen, seinen Kränkungen nicht mehr bis in die Tiefe meiner Seele hinein treffen. Mit Fin baute ich eine

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